A Biblical Theology of Youth Ministry: Teenagers in the Life of the Church

Rezension von Jonathan Malisi
5. Oktober 2023 — 8 Min Lesedauer

Was ist eigentlich die biblische Begründung für Jugendarbeit in der Gemeinde? Soll es so etwas überhaupt geben? Diese und ähnliche Fragen haben mich früh in meinem Dienst als Jugendleiter und später als Pastor bewegt. Wirklich theologisch durchdachte Antworten findet man in der deutschsprachigen Literatur dazu nicht. Irgendwann wurde mir klar: Es existiert vermutlich kein Bereich des Gemeindedienstes, der so sehr von frommem Pragmatismus geprägt ist wie die Kinder- und Jugendarbeit. Schließlich gibt es sie oft einfach nur deshalb, weil es sie eben gibt. Wo man dann doch theologische Forschung und Ansätze zu lesen bekommt, übergehen diese dabei meistens den normativen Anspruch der Bibel und setzen direkt bei den Herausforderungen unseres gegenwärtigen Kontexts an. Sola Scriptura? Fehlanzeige!

Biblische Grundlagen der Jugendarbeit im Überblick

Umso froher war ich, als ich A Biblical Theology of Youth Ministry: Teenagers in the Life of the Church entdeckte und las. Mike McGarry hat sich damit die Mühe gemacht, einen biblisch-theologischen Überblick (also die großen innerbiblischen Linien) zur Arbeit mit Jugendlichen zu erarbeiten. In dieser Ausführlichkeit ist das meines Wissens bisher leider einzigartig und füllt eine Marktlücke. Hier in Kürze die wichtigsten Aspekte:

„Es existiert vermutlich kein Bereich des Gemeindedienstes, der so sehr von frommem Pragmatismus geprägt ist wie die Kinder- und Jugendarbeit.“
 

Der Autor gewährt einen flüssig geschriebenen und vor allem theologisch ausgewerteten Überblick hinsichtlich der wichtigsten Abschnitte der Bibel, was die Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation angeht. So zeigt das Alte Testament auf, wie wichtig es ist, dass gläubige Eltern ihren Kindern nicht vorenthalten, wer Gott ist und wie er an seinem Volk in dieser Welt gehandelt hat. Wo dies der Fall war, wuchs eine Generation in Israel heran, die für Gott lebte. Wo das Volk dieser Aufgabe nicht nachkam, geriet Gottes Gnade in Vergessenheit und die nächsten Generationen lebten zum Teil in offener Rebellion gegen ihren Bundesgott.

In Bezug auf das Neue Testament konzentriert sich der Autor auf den Dienst Jesu und den von Paulus. Dabei identifiziert er bei beiden jeweils ein Grundmuster: Jesus unterwies als Rabbi mit den Aposteln eine Gruppe von Jugendlichen und jungen Männern über einen intensiven Zeitraum von drei Jahren, während es zu Paulus’ Dienststrategie zu gehören schien, geistlich in junge Männer wie Silas, Timotheus und Titus durch Einzelbeziehungen als Mentor zu investieren. Diese Beobachtungen und ihre Auswertung wirken vielleicht ganz selbstverständlich. Aber für die Legitimität von Jugendarbeit als speziell an eine Altersgruppe gerichteten Dienst und sein „Wie?“ sind sie ungemein hilfreich.

Dabei macht McGarry eine weitere wichtige Beobachtung im Blick auf die Kontinuität zwischen Altem und Neuem Testament: Zwar haben Eltern den primären Erziehungsauftrag für ihre Kinder, doch werden natürliche Familien immer im Kontext Israels oder der Gemeinde als Gottes Familie erwähnt und angesprochen. Die geistliche Prägung und Erziehung ist also nicht ausschließlich Aufgabe der Eltern. Die Gemeinde hat den Auftrag, diese darin zu unterstützen. Das Evangelium wird immer von einer Gemeinschaft geglaubt, die größer ist als die eigene Familie. Gerade in einer Gesellschaft, in der jede zweite Ehe geschieden wird (und damit ein großer Teil der Kinder in unserer Gesellschaft von den Folgen von Scheidung betroffen ist), ist das ein wichtiger Aspekt einer wirklich missionarischen Ausrichtung einer Gemeinde: Finden junge Menschen in der Gemeinde Jesu eine Gemeinschaft von Menschen, die nicht nur wie eine Familie, sondern tatsächlich eine Familie ist – die Familie Gottes?

Lektionen aus der Kirchengeschichte

Erfreulicherweise schließt sich dem Blick in die Bibel auch ein Überblick dessen an, wie die Kirche über die Jahrhunderte Jungbekehrte (da Ortsgemeinden in der Alten Kirche vorrangig nicht durch Gemeindewechsel, sondern durch Bekehrungen wuchsen) und dann auch die junge Generation innerhalb der Gemeinde unterwiesen hat. Hierbei liegt der Schwerpunkt dem amerikanischen Kontext des Buches entsprechend auf dem Puritanismus, der Erweckungsbewegung und dem 20. bzw. frühen 21. Jahrhundert. Im Anschluss an Mark Senter sieht McGarry ab der Zeit der methodistischen Sonntagsschule bis in unsere Gegenwart drei Zyklen der Jugendarbeit mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Reaktionen auf die spezifischen Herausforderungen der jeweiligen Zeit. Jeden Ansatz würdigt und kritisiert er entsprechend, wobei er im Endergebnis deutlich macht, dass es nicht den einen Ansatz gibt, sondern wir aus der Kirchengeschichte insgesamt lernen müssen.

„Die geistliche Prägung und Erziehung ist nicht ausschließlich Aufgabe der Eltern. Die Gemeinde hat den Auftrag, diese darin zu unterstützen.“
 

In der Folge plädiert McGarry für einen durchdachten „Jüngerschaftsplan“, der die von der Gemeinde organisierte „Katechese“ in die Familien hineinträgt, die zur Gemeinde gehören. Als kirchengeschichtliches Beispiel (und ausdrücklich nicht als Nonplusultra!) nennt er Richard Baxters Vorgehen.

Jugendarbeit als Brücke zwischen Familie und Kirche

Seine Untersuchung führt McGarry zu dem Ergebnis, dass christliche Jugendarbeit vor allem eine Scharnierfunktion zwischen Familie und Gemeinde darstellen muss. Das abschließende Kapitel 8 („Jugendarbeit als Brücke zwischen Gemeinde und Zuhause“) führt die Fäden der Untersuchung zusammen und rundet das Buch als Fazit mit einigen Grundlinien hin zur gemeindlichen Praxis ab.

Drei Merkmale hält er für essentiell:

  • Jugendarbeit muss in der Ortsgemeinde verankert sein: Deshalb wird eine in ihre Gemeinde integrierte Jugendarbeit auch immer die geistliche DNA der Gemeinde widerspiegeln.
  • Jugendleiter und Jugendpastoren müssen Eltern in ihrem geistlichen Erziehungsauftrag unterstützen.
  • Jugendarbeit sollte in regelmäßigen Abständen bewusst Veranstaltungen einplanen, die die Generationen der Gemeinde zusammenbringen, um erlebbar zu machen, dass die Gemeinde eine Familie ist.

Welche konkreten Schritte kann eine Gemeinde mit ihrer Jugendarbeit aber gehen, damit diese eine Brücke von der Familie hin zur Gemeinde darstellt? Hier nennt McGarry fünf tragende Säulen:

  • Präge eine evangeliumszentrierte Atmosphäre und Dienstkultur.
  • Strebe nach theologischer Tiefe durch auslegende Predigten oder Bibelarbeiten.
  • Lebe beziehungsorientierte Jüngerschaft.
  • Gewinne Eltern durch partnerschaftliche Zusammenarbeit.
  • Ziele mit der Jugendarbeit auf generationenübergreifende Einbindung in die Gesamtgemeinde ab.

Damit zeichnet er eine Fluchtlinie auf, die sich nicht durch Praxistipps auszeichnet, sondern Jugendleiter in die Pflicht nimmt, ihre Arbeit theologisch zu reflektieren und vor allem zeigt: Dieser Dienst ist wichtig und muss daher auch ernst genommen werden.

Fazit: Pflichtlektüre!

Christliche Jugendarbeit braucht eine praktisch-theologische Grundlage. Ein bisher oft fehlender Grundbaustein ist die Erarbeitung einer biblischen Grundlage. Deshalb leistet Mike McGarry der Gemeinde Jesu mit seinem kurzen Beitrag einen kaum zu überschätzenden Dienst.

„Christliche Jugendarbeit muss eine Scharnierfunktion zwischen Familie und Gemeinde darstellen.“
 

Dabei ist das Buch theologisch anspruchsvoll, aber vom Stil her in einem auch für Nicht-Muttersprachler verständlichen Englisch geschrieben. McGarry verbindet auf sehr vorbildliche Weise einerseits die pastorale Perspektive und Fragen eines Praktikers (er selbst hat lange im Bereich Jugendarbeit gedient) und andererseits die gründliche Arbeit eines ausgebildeten Theologen. Seine Verweise auf die gegenwärtige Situation und Geschichte der Jugendarbeit sind zwar aus dem amerikanischen Gemeindekontext heraus verfasst, aber dennoch hilfreich, um ein Grundgefühl für das Spektrum an Ansätzen zu erhalten. Man muss auch nicht mit allen Interpretationen des Autors übereinstimmen, um vom Buch zu profitieren.

Darüber hinaus hätten in den Ausführungen zum NT mindestens auch 1. Johannes 2,12–14 und 1. Petrus 5,5 unter die Lupe genommen werden können. Die Beschränkung auf Paulusbriefe ist wegen ihrer Ausführlichkeit zwar nachvollziehbar, könnte aber dazu führen, die Frage nach dem Gemeinsamen wie auch dem Besonderen der jeweiligen „Ansätze“ oder „Beiträge“ der Apostel im Blick auf die geistliche Prägung der jungen Generation in der Gemeinde gar nicht zu stellen.

Leider wird die verwendete Literatur immer nur in den Fußnoten angegeben; ein Literaturverzeichnis am Ende des Buches fehlt. Das macht es mühselig, sich ausgehend von den Ausführungen McGarrys in weitere Literatur einzuarbeiten. Auch der Preis von knapp 20 € für 164 Seiten Text wirkt anfänglich hoch, lässt sich aber erklären: Größere Verleger hielten das Anliegen für gut, lehnten aber ab, da ihrer Einschätzung nach niemand so ein Buch kaufen würde. Das erklärt ebenso, weshalb das Werk bei einem relativ kleinen Verlag erschienen ist und die verdiente Aufmerksamkeit nicht so schnell erlangen konnte.

Jeder, der in der Gemeinde eine leitende Verantwortung in der jungen Generation hat (z.B. Pastoren, Jugendleiter, Kinderstundenmitarbeiter), aber auch Eltern, werden immens von diesem Buch profitieren. Der unaufgeregte und von Polemik freie Stil McGarrys regt nämlich an, gründlicher über die geistliche Prägung junger Menschen in der Kirche nachzudenken. Vielleicht wird die Lektüre des Buches bei dem einen oder anderen dazu führen, liebgewonnene Veranstaltungen und Gemeindedienste im Licht von Gottes Wort neu zu bewerten und anders auszurichten. Gut so! Vor allem möchte der Autor mit seinen Überlegungen aber eine Brücke hin zu einer stärker am Wesen des Evangeliums ausgerichteten Praxis schlagen. Dieses Anliegen ist ihm vollumfänglich gelungen; ich durfte sehr viel lernen.

Buch

Michael McGarry, A Biblical Theology of Youth Ministry: Teenagers in the Life of the Church, Nashville: Randall House Publications, 2019, 164 Seiten, ca. 20,00 EUR.