Gottes größter Segen

Artikel von Benjamin Schmidt
24. November 2023 — 7 Min Lesedauer

Für Christen ist der Begriff „Segen“ ein wichtiges Wort. Nicht zuletzt deshalb, weil dieser Begriff in seinen verschiedenen Wortarten über fünfhundert Mal in der Bibel vorkommt – als „Segen“, „segnen“, „gesegnet“ usw.

Die Geschichte des Menschen beginnt bereits damit, dass Gott ihn segnet: „Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie. Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan“ (1Mose 1,27–28).

Man liest so schnell darüber hinweg, dabei ist dieser erste Segen so wichtig. Denn unmittelbar nachdem Gott den Menschen in seinem Ebenbild geschaffen hat und bevor er ihm den Auftrag gibt, diese Ebenbildlichkeit durch eine kreative, liebevolle Herrschaft auszuleben, rüstet Gott ihn mit dem dazu nötigen Segen aus. Dabei sind Ebenbildlichkeit und Auftrag Teil dieses Segens.

Heute erleben wir diesen Segen nicht in der vollkommenen Weise, wie wir es gerne hätten. Meine Familie und ich waren in diesem Jahr Teil eines Dorfprojekts namens „Kartoffelfreunde“. Mit ungefähr zwanzig anderen Familien und einem Landwirt kauften wir Saatkartoffeln und pflanzten sie eigenhändig ein, um (so war der Plan) im Spätsommer eine große Menge Kartoffeln zu ernten. Das Projekt gab es schon ein paar Jahre, und letztes Jahr war ein sehr gutes Kartoffeljahr; also gingen wir voller Optimismus ans Werk. Nach wenigen Wochen kam die Nachricht, dass das Feld von Kartoffelkäfern befallen sei. Also machten sich zwanzig Familien – Väter, Mütter samt Kindern – wochenlang jeden Samstag früh aufs Feld und sammelten kiloweise Käfer. Als fast alle Käfer vernichtet waren, kam der Regen – und mit dem Regen die Kartoffelfäule. Kurzum: Das Erntejahr war, was Biokartoffeln anging, eine Katastrophe. Die Ernte lag bei 20 % Ertrag. Vergangenen Samstag waren meine Frau und ich gezwungen, die einzigen drei Säcke unseres Anteils zu vernichten. Wir hatten uns die Kartoffelfäule nach Hause geholt. Man könnte sagen: Wir waren dieses Jahr nicht mit Kartoffeln gesegnet!

Aber was wundere ich mich? Schließlich leben wir in einer Welt, in der vieles faul und unvollkommen ist. Es herrschen Kriege, Streitigkeiten und viel Traurigkeit, was macht da eine missratene Kartoffelernte aus? Natürlich kennen wir die Ursache all dessen. Wir wissen, dass der Mensch, unmittelbar nachdem Gott ihn auf so wundervolle Weise gesegnet hatte, gegen seinen Schöpfer rebellierte. Anstatt Gott die gebührende Ehre und den Dank zu geben, lehnte der Mensch sich gegen ihn auf. Daher verbannte Gott ihn aus seiner Gegenwart und verfluchte den Erdboden, auf dem der Mensch lebt, über den er herrschen soll und von dem er seine Lebensgrundlage bezieht. Wichtig ist, dass der Mensch selbst hier nicht von Gott verflucht wird. Gott nimmt auch seinen Segen nicht zurück – aus reiner Gnade! Wohl aber wird „die Schöpfung der Vergänglichkeit unterworfen … [aber:] auf Hoffnung hin“ – aus reiner Gnade! Sowohl der göttliche Segen als auch die Gottesebenbildlichkeit des Menschen bleiben ihm bis heute erhalten, wenn auch wie durch einen schmutzigen, blinden Spiegel nur schwer sichtbar.

„Wenn wir nicht beachten, dass Gott uns das gibt, was in seinen Augen gut ist, dann schränken wir unsere Vorstellung von Segen gefährlich ein.“
 

Leider neigen wir dazu, ausschließlich die Dinge als göttlichen Segen zu betrachten, die uns gefallen. Gottes Wort sagt ja auch, dass „jede gute Gabe und jede vollkommene Gabe von oben herab, vom Vater der Lichter“ kommt (Jak 1,17a). Wenn wir aber nicht beachten, dass Gott uns das gibt, was in seinen Augen gut ist, dann schränken wir unsere Vorstellung von Segen gefährlich ein – nach dem Motto: Gottes Segen ist immer nur süß, und alles, was bitter ist, kommt nicht von Gott! Aus diesem Grund setzen wir ein „gesegnetes Leben“ oftmals mit einem „erfolgreichen“ oder „problemlosen“ Leben gleich: Eine gesegnete Ehe ist demnach eine problemlose Ehe. Gottes Segen in der Erziehung zeigt sich für uns durch gehorsame Kinder; ein gesegneter Dienst durch entsprechende Resultate usw. Seien wir ehrlich: Wenn jemand all diese Dinge aufweist, dann scheint er doch ein sehr gesegneter Mensch zu sein, oder?

Aber stimmt das? Sind diese Dinge wirklich der größte Segen, den Gott sich für dich und mich vorstellen kann? Was sagt Gott selbst?

In Römer 8 geht Paulus auf die Frage ein, was ein von Gott gesegnetes Leben in dieser der Vergänglichkeit unterworfenen Welt wirklich ausmacht. Zum einen besteht für Paulus ein wirklich gesegnetes Leben darin, dass man Gott auf seiner Seite hat. Dem hätten auch Adam und Eva Sekunden nach ihrer Vertreibung aus dem Garten sofort zugestimmt. Die Trennung von Gott, die sie durch ihre Rebellion gegen Gott verursacht hatten, war für sie die viel schwerwiegendere Konsequenz.

Aufgrund seiner großen Gnade überwindet Gott genau diese Trennung und schenkt den Kindern Adams und Evas den Segen seiner Gegenwart zurück. So beschreibt es Paulus in Römer 8. Aber viel mehr als das, er gibt denen, die „in Christus sind“ (Röm 8,1), „die Freiheit der Herrlichkeit, die nur Kindern Gottes zusteht“ (Vers 21). Und „[w]enn Gott für uns ist, wer kann dann gegen uns sein?“ (Vers 31). Das ist der größte Segen, den Gott für uns bereithält. Gott versöhnt und verbündet sich mit denen, die in Christus auf ihn vertrauen. Für sie gilt: Gott ist für uns; Gott ist gut zu uns.
Doch was ist, wenn wir noch immer unter den Konsequenzen des Fluchs leiden, den Gott über die Schöpfung gelegt hat? Was, wenn wir ein Leben führen, das geprägt ist von Schmerzen, Niederlagen und Krankheiten?

In dem sehr bekannten Vers 28 spricht Paulus davon, dass „alle Dinge denen, die Gott lieben, zum Besten dienen“. Und direkt im darauffolgenden Vers 29 klärt er uns auch darüber auf, was „das Beste“ in Gottes Augen ist, und wozu Gott uns vorherbestimmt hat: dass wir „dem Ebenbild seines Sohnes gleichgestaltet werden“. Gott will nicht nur bei uns sein, er will nicht nur unser Vater sein, er will uns auch verändern, heiligen, dem wundervollen Bild Jesu Christi ähnlicher machen. Das, was der Sündenfall an Gottesebenbildlichkeit zerstört oder verzerrt hat, stellt Gott nach und nach in uns wieder her. Somit hebt Gott schon zwei Dinge auf, die durch Adams Rebellion ruiniert wurden – den Segen und die Ebenbildlichkeit. Doch noch erleben wir das alles nur stückweise, was dazu führt, dass wir häufig entmutigt werden können.

Also richtet Paulus unseren Blick auf Gottes wertvollsten Schatz: seinen Sohn, den er geopfert hat, damit wir den größten Segen seiner Gegenwart als Vater bekommen können: „Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat – wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?“ (Vers 32). Wenn Gott doch sein Kostbarstes für dich gegeben hat, der du durch den Glauben zu ihm gehörst, meinst du wirklich, er würde dir dann noch etwas Gutes vorenthalten? Hat er nicht das Wertvollste in dieser Welt für dich gegeben? Dann vertraue darauf, dass alles, was du nun erlebst – auch das Schwere und Bittere – Teil des guten Segens Gottes für dich ist.

Mit dieser Gewissheit vor Augen können wir uns als Gottes Volk über Gottes Segnungen freuen, die materiellen wie die geistlichen. Und wir dürfen wissen, dass wir dazu berufen sind, mit unserem ganzen Leben ein Segen für andere zu sein, indem wir mit unseren Worten und Taten auf den Geber aller Segnungen hinweisen, der herrlicher ist als jeder nur vorstellbare Segen.