Nah am Menschen

Artikel von Matt Boga
27. November 2023 — 5 Min Lesedauer

Einer meiner Söhne leidet häufig unter nächtlichen Angstzuständen. Für diejenigen, die es nicht wissen: Nachtangst ist wie Schlafwandeln – eigentlich schläft die Person noch, handelt aber, als wäre sie wach. Mein Sohn hat mehrmals pro Woche solche Angstzustände, die sich normalerweise darin äußern, dass er 5 bis 10 Sekunden lang schreit, bevor er sich wieder beruhigt und normal weiterschläft.

Manchmal sind seine Schreie allerdings so laut, dass er sich selbst aufweckt. Wenn das passiert, gehe ich normalerweise in sein Zimmer, streichele seinen Rücken und frage ihn, was ihn in seinem Traum so erschreckt hat. Ich versichere ihm, dass ich da bin, und diese einfache Tatsache beruhigt ihn in zehn von zehn Fällen so sehr, dass er wieder einschläft.

Die Ähnlichkeit von Pastoren und Eltern

So wie Kinder manchmal nur die Gegenwart ihres Vaters brauchen, brauchen Christen manchmal nur die Gegenwart eines Pastors.

In einer Liste der Qualifikationen für Älteste stellt das Neue Testament die Verbindung zwischen dem Pastor-Sein und Elternschaft ausdrücklich her. Paulus sagt zu Timotheus, dass ein Ältester in der Lage sein muss, seinem Haushalt gut vorzustehen, und merkt dann an: „Wenn aber jemand seinem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, wie wird er für die Gemeinde Gottes sorgen?“ (1Tim 3,5).

„Auch Pastoren sollten Gottes Haushalt vorstehen, indem sie ihren Leuten Zeit und Aufmerksamkeit schenken – wie ein Vater und wie der barmherzige Samariter.“
 

Das Wort, das Paulus für „sorgen“ verwendet, taucht nur zwei weitere Male im Neuen Testament auf. Interessanterweise finden sich beide in Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samariter in Lukas 10. Der barmherzige Samariter verzögert nicht nur seine Reise, um sich um den Mann zu kümmern, sondern er bleibt bei ihm.

Auch Pastoren sollten Gottes Haushalt vorstehen, indem sie ihren Leuten Zeit und Aufmerksamkeit schenken – wie ein Vater und wie der barmherzige Samariter.

Der Gott, der da ist

Als Unterhirten repräsentieren wir für unsere Leute den Oberhirten. Und unser Gott ist der Gott, der da ist. Immer wieder sehen wir in der Bibel, wie der Herr seinem Volk seine Gegenwart versichert (vgl. 1Mose 26,3; 31,3; 2Mose 3,12; 5Mose 31,23; Jos 1,5; Ps 23,4; Jes 43,2; Mt 28,20). Gott kennt all die Prüfungen und Nöte, die ein Leben im Glauben mit sich bringt, aber er verspricht keine Lösungen, sondern seine Gegenwart. Er verspricht sich zu kümmern – nicht durch offengelegte Pläne, sondern durch unaufhörliche Nähe.

Das klingt zwar wunderbar, aber wenn du auch nur ein wenig so bist wie ich, ist das eher schwer verdaulich. Ich habe einen „Reparier-Reflex“. Ich neige dazu, Herausforderungen mit einem Plan zu begegnen und Lösungen vorzuschlagen. Das ist ein nützlicher Instinkt, aber in der realen Welt des pastoralen Dienstes ist er nicht immer hilfreich. Immer wieder finde ich mich in Situationen wieder, in denen nicht ein Plan, sondern eine Person benötigt wird.

Unsere Leute schreien

Wie mein Sohn, der im Schlaf schreit, schreien auch einige unserer Leute. Vielleicht ist es Angst, die sie überwältigt. Vielleicht sind sie besorgt über die Häufigkeit einer bestimmten Krebsart in ihrer Familie und bemühen sich deshalb um eine Umstellung ihrer Ernährung und ihres Lebensstils, um die Möglichkeit einer Erkrankung auszuschließen. Oder sie fragen sich, warum sie immer noch Single sind, und sind ständig im Fitnessstudio oder im Einkaufszentrum, um für das andere Geschlecht attraktiver zu werden.

Aber was passiert, wenn jemand seinen Ernährungs- und Trainingsplan akribisch einhält und trotzdem Krebs bekommt? Was passiert, wenn jemand alles tut, um begehrenswert zu werden, aber niemand ihn begehrt? Was wirst du bieten?

Der Kampf gegen den „Reparier-Reflex“

Mein erster Impuls in solchen Momenten ist, schnell eine Lehre zu vermitteln oder Menschen auf biblische Texte über Gottes Güte und Treue hinzuweisen. Doch beachte den Hinweis auf die „rechte Zeit“ in der Anweisung der Sprüche: „Wie goldene Äpfel in silbernen Schalen, so ist ein Wort, gesprochen zur rechten Zeit“ (Spr 25,11). Deine Gemeinde braucht biblische Worte, aber sie braucht sie zur rechten Zeit. Wie sieht das aus?

Anstatt schnell zu sagen: „Die Bibel sagt, dass man sich um nichts sorgen soll“, sieht es manchmal so aus, dass man langsamer wird, vielleicht den Tagesplan anpasst und Zeit mit der Person im Gebet verbringt (vgl. Phil 4,6b). Manchmal bedeutet es einfach, Zeit mit ihnen zu verbringen und zu warten, statt schnelle Lösungen anzubieten.

„Manchmal bedeutet es einfach, Zeit mit ihnen zu verbringen und zu warten, statt schnelle Lösungen anzubieten.“
 

Denk daran, dass unser Oberhirte uns keinen schnellen Ausgang aus dem Tal des Todesschattens verspricht. Vielmehr verspricht er, mit uns zu sein (vgl. Ps 23,4–6). Hiobs Freunde schienen alles richtig zu machen – zumindest, solange sie noch schwiegen und in seinem Elend einfach bei ihm waren (vgl. Hiob 2,11–13). Paulus berichtet Timotheus, wie die Gegenwart des Herrn ihn in Zeiten der Not gestärkt hat (vgl. 2Tim 4,16–17).

Was kann ich tun?

Brüder, bringt das Wort Gottes. Aber stellt sicher, dass Gottes Wort in silbernen Schalen kommt – Schalen des Mitgefühls, der Gnade und der Gegenwart. Wenn du verzweifelt nach Dingen suchst, die du „tun“ kannst, versuch es hiermit:

  • Bete: Im Gegensatz zum kulturellen Wind unserer Tage sagt uns der Apostel Jakobus, dass die Gebete der Gerechten große Macht haben und Heilung bewirken (vgl. Jak 5,16). Lass das Gebet nicht zur letzten Notmaßnahme werden, sondern mache es zu einer instinktiven ersten Reaktion.
  • Weine: Paulus gibt uns keine Vorgaben, wann wir mit den Trauernden unter uns weinen sollen. Er sagt uns einfach, dass wir weinen sollen (vgl. Röm 12,15). Vernachlässige den unbequemen Dienst der Tränen nicht.
  • Sei da: Die Wahrheit unseres Glaubens hängt von einem leibhaftigen Erlöser ab. Das Werk der Erlösung wird nicht vollbracht, wenn Gott nicht unter uns wohnt (vgl. Joh 1,14). Es gibt eine Zeit fernzubleiben. Aber es gibt auch eine richtige Zeit, um aufzutauchen (vgl. Gal 4,4–5). Sei wie der barmherzige Samariter da – auch wenn es dich etwas kostet.

Was unsere Leute in ihren Momenten der Verzweiflung brauchen, ist das, was mein Sohn mitten in der Nacht braucht. Er braucht keinen Vortrag über sein Unterbewusstsein, was ein Traum ist und warum man sich nicht davor fürchten muss. Stattdessen braucht er den Trost zu wissen, dass ich da bin. Als Pastoren haben wir die besondere Freude, einfach bei unseren Mitgliedern zu sein und sie so des Trostes, der Fürsorge und des Mitgefühls Gottes zu versichern.