Pastor, nicht Entrepreneur

Artikel von Nathan Knight
4. Januar 2024 — 6 Min Lesedauer

Wenn es darum ging, Jünger zu machen und Gemeinden zu gründen, legten Jesus oder Paulus den Schwerpunkt nie auf unternehmerisches Denken. Natürlich glaubten sie an die Realität der Hölle und waren sich der Dringlichkeit bewusst, Jünger zu machen und Gemeinden zu gründen. Dies führte jedoch nie dazu, die Tatkraft oder Kreativität der Gemeindegründer in den Mittelpunkt zu stellen. Stattdessen betonten sie den Charakter (vgl. 1Tim 3,1–7, Tit 1,5–8), theologische Überzeugungen (vgl. 1Tim 4,1–4, Tit 1,9) und Lehrfähigkeit (vgl. 1Tim 3,2). Sie suchten nach Männern, die das Evangelium treu lehrten und diese Botschaft in ihrem täglichen Leben verkörperten.

Sie konzentrierten sich auf Charakter, Fähigkeit und Überzeugung, weil sie sich einiger Dinge bewusst waren, die wir oft vergessen: Sie wussten, dass der Teufel herumstreift und mächtig ist. Sie wussten, dass der Geist willig, aber das Fleisch schwach ist. Und sie wussten, dass die Welt verführerisch ist.

Die ersten Gemeindegründer wussten, dass manche Arten von Böden Menschen hervorbringen, die sich zum Glauben an Christus bekennen, aber keine Früchte tragen – so wie Jesus es lehrte. Nur eine Art von Boden bringt Gläubige hervor, die ausharren (vgl. Mk 4,1–20). Der Herr verliert keines seiner Schafe, aber die Schwundquote für jene, die Christus nur bekennen, ist hoch. Daher legten die Apostel Wert darauf, Gemeinden mit Männern zu gründen, die standhaft waren, nicht mit Männern mit Kreativität oder Charisma.

Die Vereinnahmung der Kirche durch das Unternehmertum

Martin Luther schrieb zu Beginn der Reformation ein Buch mit dem Titel Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Darin kritisiert er die Korruption der römisch-katholischen Kirche. Ich frage mich, ob heute jemand ein Buch mit dem Titel Die unternehmerische Gefangenschaft der Kirche schreiben sollte. Der Autor könnte das Vertrauen vieler Menschen in Methoden aus der Privatwirtschaft aufdecken, um Frucht im Reich Gottes zu produzieren.

„Wenn man die Frucht des Dienstes in den Mittelpunkt stellt, läuft man Gefahr, die Wurzel des Dienstes aus dem Blick zu verlieren: ein Herz für Gott und sein Volk.“
 

Ich nahm einmal an einer Evaluierung für potentielle Gemeindegründer teil, bei der viel Zeit damit verbracht wurde, die Fähigkeit des potentiellen Gemeindeleiters zu bewerten, etwas von null an aufzubauen. Sie mussten ihre Berufung und ihre Vision aufschreiben, präsentieren und verteidigen. Es gab eine Übung, bei der ihnen Fragen gestellt und ihre Antworten bewertet wurden. Die Organisation, die diese Evaluierung durchführte, hat Kandidaten auch schon gebeten, ihre Arbeit zur Musik der Reality-Fernsehshow Shark Tank (dt. Haifisch-Becken) zu präsentieren.

Es ist schwer, ein Buch, eine Konferenz oder eine Website zum Thema Gemeindegründung zu finden, wo Formulierungen wie „Entrepreneur“ oder andere Begriffe aus der Geschäftswelt nicht schnell auftauchen. Diese Ausdrucksweise oder das Konzept dahinter sind an und für sich nicht schlecht oder böse. Manchmal sind sie hilfreich. Die häufige Verwendung solcher Wörter weist jedoch auf das Ziel hin, aus Gründen der finanziellen Sicherheit und Multiplikation schnelles Wachstum in den neu gegründeten Gemeinden zu erzielen. Diese beiden Dinge werden zu den Bewertungskriterien, anhand derer Gemeindegründer gemessen werden.

Sicherlich sollten wir uns alle finanzielle Sicherheit und Multiplikation wünschen, aber wenn man die Frucht des Dienstes in den Mittelpunkt stellt, läuft man Gefahr, die Wurzel des Dienstes aus dem Blick zu verlieren: ein Herz für Gott und sein Volk.

Die Betonung des Geschäftssinns der Wall Street und der Werte des Silicon Valley bei der Suche nach Gemeindegründern lenkt uns davon ab, auf die Schwerpunkte des Neuen Testaments zu achten – darauf, wer ein Mann ist.

Eine tragfähige Gemeinde

Denk an die Geschichte der drei kleinen Schweinchen. Die ersten beiden bauen schnell Häuser aus Stroh und Holz und machen sich über das dritte Schwein lustig, das mühsam mit Stein baut. Sie machen sich jedoch nur so lange lustig, bis der Wolf ihre Häuser umpustet und sie im dritten Haus aus Ziegeln Zuflucht suchen.

Wir brauchen Gemeinden aus Ziegeln. Wir brauchen Gemeindegründer, die nach den Kriterien beurteilt werden, die Paulus heranzieht. Wir brauchen robuste Gemeinden, die von Männern mit standhaftem Rückgrat und gnädigem Herzen geleitet werden. Wir brauchen Pastoren, keine Unternehmer. Wir brauchen Hirten, nicht Entrepreneure.

Die Liebe vergeht nie

Es gibt noch etwas, das Jesus betont hat und das wir bei der Bewertung von Gemeindegründern oft übersehen. Wir sollten nicht nur Charakter, Fähigkeiten und Überzeugungen im Blick haben, sondern auch die Liebe des Gemeindegründers.

Am Ende seiner „Gemeindegründungs-Schulung“ fragte Jesus seinen führenden Gemeindegründer dreimal, ob er ihn liebe. Da Petrus jedes Mal mit Ja antwortete, sagte unser Herr ihm, er solle seine Schafe weiden und hüten (vgl. Joh 21,15–19).

Die Liebe zu Christus führt zu einer mitfühlenden Fürsorge für die Schafe, die er mit seinem eigenen Blut erkauft hat. Nach dieser Evaluierung wurde Petrus von Jesus beauftragt, hinauszugehen und Gemeinden zu gründen. Petrus war von diesem Auftrag offensichtlich tief berührt, denn später gibt er ihn an die Christen in der Zerstreuung weiter (vgl. 1Petr 5,1–4).

„Liebe ist im unternehmerischen Sinne nicht effizient. Wenn wir eine Gemeinde gründen, geht es nicht darum, die Dinge so schnell wie möglich in Gang zu bringen, sondern um die Liebe.“
 

Liebe ist im unternehmerischen Sinne nicht effizient. Liebe ist bereit, jetzt als Letzter ins Ziel zu kommen, um am Ende der Erste zu sein. Liebe ist langsam und geduldig. Liebe ist freundlich, nicht aufdringlich. Die Liebe beharrt nicht auf ihrem eigenen Weg – sie beharrt auf dem Weg des Herrn, um das Kreuz zu tragen, keine irdische Krone. Die Liebe sieht die Menschen, zu denen sie predigt und für die sie betet. Liebe sucht nicht nach großen Zahlen, sondern nach einzelnen Menschen, die absichtsvoll zu einem Volk berufen werden. Diese Art von Liebe vergeht niemals (vgl. 1Kor 13,1–8).

Deswegen sagt Paulus seinem Jünger Timotheus, dass das Endziel die Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben ist (vgl. 1Tim 1,5). Wenn wir in eine neue Gegend ziehen und dort eine Gemeinde gründen, geht es nicht darum, die Dinge so schnell wie möglich in Gang zu bringen, sondern um die Liebe. Das muss unsere treibende Kraft sein: die Liebe zu Christus und die Liebe zu seinen durch sein Blut erkauften Schafen.

Deshalb, Gemeindegründer, strebe nach Liebe, wenn du dich aufmachst, eine neue Gemeinde zu starten. Liebe den Charakter Christi, liebe die Überzeugungen Christi und bitte um die Fähigkeit, Christus in dieser Liebe zu verkünden. Liebe Christus, indem du seine Schafe weidest und hütest. Was auch immer dabei herauskommt wird ausreichen, denn diese Art der Liebe versagt nie.