Biblische Archäologie im Gespräch mit dem Zweifler

Artikel von Keith Mathison
4. März 2024 — 8 Min Lesedauer

Hast du dich jemals darüber gewundert, dass das Apostolische Glaubensbekenntnis Pontius Pilatus erwähnt? Obwohl das Glaubensbekenntnis sehr knapp formuliert ist, enthält der zweite Artikel über den Herrn Jesus Christus eine kurze Aussage über das Leiden von Christus „unter Pontius Pilatus“. Warum ist das so wichtig? Kurz gesagt: Der Grund liegt darin, dass der christliche Glaube eine historische Religion ist. Die Ereignisse, die in der Bibel berichtet werden, sind Teil der echten Weltgeschichte, die an definierten Orten auf der Welt stattfanden, mit echten Menschen, von denen einer Pontius Pilatus war.

Die Ereignisse der Bibel fanden nicht in imaginären Welten wie Narnia oder Oz statt. Sie tauchten ebenso wenig in Märchenwelten auf. Die Welt, in der Abraham, Isaak und Jakob lebten, war die gleiche Welt, in der du und ich leben. Die Flüsse und Seen, die Berge und Täler, die Städte und Reiche, die in der Bibel genannt werden, existierten in der realen Welt.

Biblische Archäologie ist deswegen für uns relevant, weil die Ereignisse der Bibel in der realen Welt passierten. Archäologie ist nämlich nach dem Lexikoneintrag aus Oxford Languages das „Studium der Geschichte und Frühgeschichte des Menschen durch die Ausgrabung von alten Stätten und die Analyse der gefundenen Artefakte und anderer Überreste“. Viele aus meiner Generation hatten ihre erste Begegnung mit der Archäologie durch den ersten Indiana-Jones-Film „Jäger des verlorenen Schatzes“. Die fiktive Figur des Dr. Henry Jones ist darin ein Archäologe, der ein Talent dafür hat, in Abenteuer zu geraten, die ihn um den Globus führen. Ich schätze allerdings, dass die meisten Archäologen kaum in derart aufregende Situationen geraten werden.

Die echten Archäologen untersuchen Grabungsstätten, wo früher Menschen lebten und arbeiteten. Es ist eine Menge an vorlaufender Forschung notwendig, um solche Stätten überhaupt zu finden. Wenn aber eine solche wahrscheinliche Stätte lokalisiert worden ist, beginnt die schmutzige Arbeit. Es werden Voruntersuchungen und Testgrabungen unternommen. Erst wenn diese erfolgreich abgeschlossen worden sind, beginnen die Archäologen mit der weiteren Suche nach Artefakten. Jeder Fund wird dann eingehend analysiert, mit dem Ziel, etwas über die Lebensweise der Menschen herauszufinden, die dort früher lebten.

Biblische Archäologie beschränkt sich auf solche Fundorte, die im weitesten Sinne in der Bibel erwähnt werden. Deswegen geht es hauptsächlich um Israel und seine Nachbarländer. Archäologen, die das betreiben, suchen also nach Fundstücken, die ein Licht auf das Leben der Menschen werfen können, die an solchen biblisch relevanten Orten lebten.

Die Bibel besser verstehen

Biblische Archäologie dient uns hauptsächlich auf zwei Gebieten. Erstens kann sie wichtige Informationen für die biblische Hermeneutik liefern. Mit anderen Worten: Die Archäologie kann Zusatzinformationen liefern, die zum genaueren Verständnis und zur Auslegung der Bibel beitragen. Wir sind im 21. Jahrhundert tausende Jahre von der biblischen Kultur entfernt. Dinge, die für die ersten Leser der Bibel Alltag waren, sind unserer Erfahrung und unserem Wissen vielleicht völlig fremd.

Zum Beispiel heißt es in 5. Mose 22,8: „Wenn du ein neues Haus baust, so mache ein Geländer um dein Dach herum, damit du nicht Blutschuld auf dein Haus lädst, falls jemand von ihm herunterfällt.“ Viele moderne Leser mögen verwirrt über die Aufforderung sein, ein Geländer zur Sicherheit auf das Dach zu bauen, weil heute die meisten Häuser Schrägdächer haben, auf denen sich selten Menschen aufhalten. Aber es ergibt natürlich Sinn für eine Zeit, in der die Hausdächer meistens flach waren und die Familie und Gäste regelmäßig viel Zeit auf dem Dach verbrachten. Archäologische Funde helfen uns, solche Einzelheiten des antiken Lebens besser zu verstehen.

Damit in Zusammenhang steht, dass die Archäologie auch Auswirkungen auf unser Verständnis der alten Sprache der Bibel hat. Archäologen haben viele Tontafeln entdeckt und auch andere Fundstücke mit Schriftzeichen. Stehen diese Schriftzeichen in Zusammenhang zum Hebräischen, dann können sie uns helfen, unser Wissen über die Sprache des Alten Testaments zu verbessern. Haben sie keine Beziehung zum Hebräischen, können sie uns helfen, die Kulturen der angrenzenden Regionen zu verstehen.

Die Wahrheit der Bibel untermauern

Biblische Archäologie dient aber auch dem Anliegen der christlichen Apologetik. Das ist heute so wichtig wie vielleicht nie zuvor. In früheren Jahrhunderten zogen viel weniger Menschen die Geschichtlichkeit der Bibel in Zweifel, als das heute der Fall ist. Heute missverstehen viele Menschen – zumindest in den westlichen Kulturen – die Bibel als Legende oder als Mythos. Viele nehmen an, dass die Geschichten des Alten Testaments von Juden in der nachexilischen Zeit erfunden wurden, um sich und ihr Volk zu legitimieren. Die Geschichten von Jesus Christus seien dann später genauso von den ersten Christen erfunden worden, um ihren Glauben an einen Retter nachträglich als gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Es wird behauptet, dass die Geschichten der Bibel genauso wenig mit der wirklichen Geschichte zu tun haben wie Rudolph mit der roten Nase, das Rentier von Santa Claus.

Wie sollen wir als Christen Menschen das Evangelium weitergeben, die so etwas zu Hause, in der Schule oder im Internet gelernt haben? Das Evangelium ist verwurzelt in der biblischen Geschichte. Wie also kann man antworten, wenn die Person, der du das Evangelium bezeugen willst, kaum richtig zuhört und dich abweist, indem sie sagt, die Bibel sei doch nur eine Sammlung von Mythen, Legenden und Märchen? Die Ergebnisse der biblischen Archäologie können in einer solchen Situation eine enorme Hilfe darstellen. Sie können die Überzeugung deines Gegenübers untergraben und zeigen, dass die Bibel ein historisch zuverlässiges Buch ist.

Allerdings wirft das ein paar Fragen über apologetische Vorgehensweisen auf. Es gibt nämlich einige Diskussionen unter Christen darüber, wie wir auf die Herausforderungen durch Ungläubige am besten antworten sollen. In der klassischen Apologetik würde man die Information aus der biblischen Archäologie benutzen, um die Behauptung des Nichtglaubenden zu entkräften, die Bibel sei ein Mythos. Andere aber widersprechen, weil sie der Ansicht sind, dass wir damit implizit selbst unseren Glauben an die Autorität der Schrift untergraben.

In dieser Hinsicht stellt z.B. das Bekenntnis von Westminster heraus: „Die Autorität der Heiligen Schrift, derentwegen man ihr glauben und gehorchen soll, beruht nicht auf dem Zeugnis irgendeines Menschen oder irgendeiner Kirche, sondern gänzlich auf Gott (der die Wahrheit selbst ist) als ihrem Autor, und sie ist deswegen anzunehmen, weil sie das Wort Gottes ist“ (Art. 1.4). Schließt das aber den Gebrauch von äußeren Belegen wie den archäologischen Funden im Gespräch mit Ungläubigen aus? Die Antwort ist „Nein!“ Und es lohnt sich, das Warum dahinter zu verstehen.

Gottes Wort bringt Gottes letztgültige Autorität mit sich, ob es nun ausgesprochen wurde oder aufgeschrieben. Das Bekenntnis zielt ursprünglich auf die römisch-katholische Behauptung, dass die Heilige Schrift ihre Autorität erst von der römischen Kirche erhalte. Deswegen fährt es auch fort, dass uns „das Zeugnis der Kirche zu einer Hochschätzung und Ehrerbietung der Heiligen Schrift gegenüber bewegen und anleiten“ kann, aber schließt dann: „Trotzdem stammt unsere volle Überzeugung und Gewissheit bezüglich ihrer unfehlbaren Wahrheit und göttlichen Autorität vom inwendigen Werk des Heiligen Geistes, der es durch das Wort und mit dem Wort in unseren Herzen bezeugt.“ Das ist alles eine Antwort auf die römisch-katholischen Lehren.

Außerdem sollten wir beachten, dass dieses Glaubensbekenntnis ist, was es ist: ein Bekenntnis des Glaubens von denen, die glauben, dass die Bibel Gottes Wort ist und die ihre göttliche Autorität anerkennen. Derjenige jedoch, der noch nicht glaubt, fragt, ob die Bibel wirklich Gottes geschriebenes Wort ist. Denn er hat doch gehört, dass alles nur Mythen und Legenden seien.

„Archäologische Belege können die Autorität der Bibel weder beweisen noch die Grundlage dafür sein. Sie dienen nur als Gründe, den Widerspruch gegen die Bibel zu entkräften und dem Anspruch der Bibel zu glauben.“
 

Wir begegnen dem Ungläubigen in einer ähnlichen Weise wie Mose den Israeliten in Ägypten. Mose fragte, was er tun solle, falls das Volk mit Unglauben auf seine Verkündigung des Wortes Gottes reagierte (vgl. 2Mose 4,1). Gott versprach Mose deswegen, dass er ihm Beweise geben werde, die seinen Anspruch belegen. Die Beweise selbst geben Gottes Wort nicht seine Autorität, sondern belegen nur, dass es tatsächlich Gottes Wort ist. Mit den archäologischen Belegen ist das ganz ähnlich. Sie können die Autorität der Bibel weder beweisen noch die Grundlage dafür sein. Sie dienen nur als Gründe, den Widerspruch gegen die Bibel zu entkräften und sind zugleich Gründe, dem Anspruch der Bibel zu glauben.

Wenn also ein Ungläubiger deinen Versuch abwehrt, ihm das Evangelium zu sagen, indem er sagt, die Bibel bestehe nur aus Mythen, Legenden und Märchen, dann kannst du dieser Person sagen, dass seine Ansicht im Widerspruch zu zahlreichen archäologischen Funden steht. Du kannst herausstellen, dass zahlreiche Artefakte gefunden worden sind, die die grundlegende Geschichtlichkeit und Zuverlässigkeit der Bibel stützen. Wenn dir dann entgegengehalten wird, dass die historische Zuverlässigkeit dadurch beeinträchtigt wird, dass auch von Wundern Gottes und seinem direkten Reden berichtet wird, dann kannst du herausstellen, dass auch sonst die historische Vertrauenswürdigkeit antiker Schriften nicht einfach damit hinfällig wird, dass ihre Autoren auch von ihren „Göttern“ schreiben. Das Ziel ist also gar nicht, die Autorität der Bibel zu beweisen, sondern nur Hindernisse abzubauen, die aus falschen Annahmen über die Bibel in der modernen Kultur herrühren.