Mit Gott im Reinen

Rezension von Timon Kubsch
18. April 2024 — 6 Min Lesedauer

Mit Gott im Reinen zu sein – wer wünscht sich das nicht? Millionen Menschen streben nach diesem Ziel. Ganze Religionen fußen darauf, sich als Mensch zu bessern oder gewisse Dinge zu tun, um von Gott akzeptiert zu werden. Auch unter Christen finden wir diese Haltung. Wir wollen vor Gott „gerechter“ sein und von ihm angenommen werden. Um das zu erreichen, versuchen wir alles Mögliche, um ein besserer Mensch zu werden, unser Verhalten zu ändern oder persönliche Schuld zu begleichen. Aber wir kommen damit nicht ans Ziel – im Gegenteil: Wir versagen immer wieder. Gerade mit Blick auf das eigene Scheitern keimt in vielen Christen irgendwann die Frage auf: Bin ich überhaupt gerettet? Kann ich gewiss sein, dass ich in Ewigkeit bei Gott sein werde?

„Wir sind in Christus gerechtfertigt – eben nicht durch unser Tun, sondern allein durch den Glauben an ihn.“
 

Wer dieses innere Ringen kennt, dem sei das Buch Mit Gott im Reinen ans Herz gelegt. Michael Reeves erklärt darin kurz und bündig, aber trotzdem sehr praxisnah und mit einem seelsorgerlichen Blick, die befreiende Lehre der „Rechtfertigung aus Glauben allein“. Es geht um die wunderbare Wahrheit, dass wir in Christus gerechtfertigt sind – eben nicht durch unser Tun, sondern allein durch den Glauben an ihn. Allein weil er, Christus, alles für uns vollbracht und uns mit all unserer Schuld angenommen hat.

An Luther anknüpfen

Das Buch ist dabei durchzogen von Zitaten und Erlebnissen Martin Luthers. Das ist kein Wunder, war er es doch, der vor rund 500 Jahren fast an dem Ringen um seine Gerechtigkeit zugrunde gegangen wäre. Dann aber durfte er die freimachende Lehre der Rechtfertigung wiederentdecken und vermochte sie wie kaum ein anderer in Worte zu fassen. Michael Reeves nimmt den Leser in acht kurzen Kapiteln mit auf diese Entdeckungsreise Luthers und zeigt dabei auf, dass die Frage nach der Glaubensgerechtigkeit keine trockene theologische Debatte ist, sondern den Kern der Beziehung zu Gott betrifft.

„Gott hat uns weder aufgrund unseres Lebens vor der Bekehrung noch aufgrund unseres Lebens nach der Bekehrung für ‚gerecht‘ erklärt, sondern allein aufgrund des Lebens und Sterbens seines Sohnes.“
 

So war es bei Luther und so ist es auch bei uns. Als Christen sind wir immer wieder versucht, unsere Gerechtigkeit in uns selbst statt in Christus Jesus zu suchen. Das Urteil Gottes, der alle, die an Christus glauben, für „gerecht“ erklärt, kollidiert immer wieder mit der Realität, dass wir trotzdem sündigen. Man sieht die eigene Ungerechtigkeit und zweifelt deshalb daran, ob man wirklich „gerecht“ vor Gott ist. Michael Reeves nimmt sich in seinem Buch dieser praktischen Nöte und Zweifel an und zeigt, wie wichtig es ist, dass unsere Rechtfertigung eben nicht an uns liegt. Gott hat uns weder aufgrund unseres Lebens vor der Bekehrung noch aufgrund unseres Lebens nach der Bekehrung für „gerecht“ erklärt, sondern allein aufgrund des Lebens und Sterbens seines Sohnes.

„Gerecht sind nicht jene, die ihr Leben auf die Reihe bekommen haben, sondern die gottlosen Sünder, über die Gott das Urteil ‚gerecht‘ gesprochen hat.“ (S. 20)

Über Hochzeiten und Stolpersteine

Während Reeves diese Wahrheit in den ersten drei Kapiteln erklärt und dabei den Unterschied zwischen Rechtfertigung und Heiligung verdeutlicht, schmückt er sie im vierten Kapitel besonders schön aus. Reeves nutzt dazu eine Illustration, die auf Luther zurückgeht. Der Reformator erklärte die Rechtfertigungslehre anhand einer großen Hochzeitsfeier zwischen dem König (Jesus) und einer Prostituierten (das sind wir, die Gemeinde als Braut Christi). Die Prostituierte war so hoch verschuldet, dass sie ihre Verpflichtungen niemals hätte abzahlen können. Der König sah sie jedoch und liebte sie so sehr, dass er sie heiratete. Durch die Hochzeit mit dem reichen König wurden nicht nur alle Schulden der Prostituierten beglichen, sie wurde sogar zur Königin ernannt. Alles nur, weil der König sie mit all ihrer Schuld und Schande annahm und alles, was er war und besaß, mit ihr teilte. So tat es auch Christus mit uns.

Bevor der Autor im letzten Kapitel aufzeigt, wie die Lehre der „Rechtfertigung aus Glauben allein“ uns zu einem Leben in Freude, Gewissheit und Anbetung führt, widmet er sich in den Kapiteln 5–7 noch drei Stolpersteinen, die einem Christen all das rauben können. Es geht um die Fragen, welche Rolle die guten Werke spielen, ob die Rechtfertigungslehre uns nicht den Ansporn zur Heiligung nimmt und ob es tatsächlich Heilsgewissheit geben kann. Reeves gelingt es, jede dieser Fragen ernst zu nehmen, zumindest so gut es auf so wenigen Seiten möglich ist. Er zeigt anknüpfend auch auf, wie diesen Fragen jeweils eine falsche Sicht auf die Rechtfertigung zugrunde liegt.

Große Wahrheiten auf wenigen Seiten

Nun wird der aufmerksame Leser von Evangelium21 vermutlich wissen, dass über dieses zentrale Thema des christlichen Glaubens schon etliche gute Bücher geschrieben worden sind. Man darf zu Recht die Frage stellen: „Braucht es wirklich noch eins?“ Hat dieses Buch einen Mehrwert? Ich denke: Die Lektüre lohnt sich! Mit Gott im Reinen sticht dadurch hervor, dass es nicht für den wissenschaftlichen Diskurs, sondern für den ganz normalen Christen oder den Suchenden geschrieben ist. Wer es liest, bekommt ein Verständnis für die Tragweite und Bedeutung der Rechtfertigung aus Glauben allein und wird damit in die offenen Arme von Christus getrieben.

Man könnte kritisieren, dass teilweise der Tiefgang in exegetischen Fragen fehlt oder gewisse Auseinandersetzungen zu kurz kommen, wie etwa eine Gegenüberstellung mit der römisch-katholischen Rechtfertigungslehre. Allerdings sind es gerade die Kürze, die Klarheit und der lebensnahe Ansatz, die dieses Buch so wertvoll machen. Auf gerade einmal 60 Seiten behandelt der Autor bedeutsame theologische Themen, wie den Unterschied zwischen Rechtfertigung und Heiligung, die Rolle der guten Werke oder die Frage der Heilsgewissheit. Zugleich benötigt der Leser kein theologisches Vorwissen, um all dem folgen zu können. Michael Reeves gelingt es außerordentlich gut, diese komplexen theologischen Fragen auf das Wichtigste herunterzubrechen und den Zweifler auf Christus hinzuweisen.

Damit ist Mit Gott im Reinen eigentlich fast jedem zu empfehlen. Die Kürze und die gute Lesbarkeit machen das Buch zu einem tollen Geschenk für Interessierte, die Jesus und die wunderbare Nachricht der „Rechtfertigung aus Glauben allein“ noch nicht kennen. Es eignet sich auch für Täuflinge und neue Gemeindemitglieder oder für das langjährige Mitglied deiner Gemeinde, das damit ringt, in dieser Wahrheit zu ruhen. Auch für Kleingruppen, Zweierschaften oder Hauskreise kann es lohnenswert sein – ein Kapitel hat man in wenigen Minuten gelesen, was die „Vorbereitungshürde“ drastisch reduziert.

Ich wünsche mir, dass viele Menschen durch dieses Buch erkennen dürfen, wie befreiend die Liebe Christi ist. Die Last darf abfallen. Wir müssen nichts vorweisen, um angenommen zu werden – weder vor noch nach unserer Bekehrung. Unsere Hoffnung liegt allein in unserem Herrn.

Buch

Michael Reeves, Mit Gott im Reinen, Bad Oeynhausen: Verbum Medien, 2024, 60 Seiten, 8,90 Euro.
Das Buch kann auch direkt beim Verlag bestellt werden.