Hoffnung statt Angst und Abgrenzung
(München, 18.06.2024). „Chaos und Kontrollverlust“, so beschreibt Carl R. Trueman, Professor für biblische und religionswissenschaftliche Studien am Grove City College (Pennsylvania, USA), das Lebensgefühl vieler Menschen in der heutigen Zeit. „Wir haben in den letzten 20 bis 30 Jahren mehr Veränderungen erlebt als Menschen früherer Jahrhunderte in ihrem ganzen Leben“, sagte Trueman bei der Hauptkonferenz des Netzwerks Evangelium21 in der Hamburger Arche-Gemeinde. Eine besondere Herausforderung für Christen: Die rasante Verschiebung gesellschaftlicher Normen und Werte. Als Beispiele nannte er die Ehe für homosexuelle Paare und die Möglichkeit, das eigene Geschlecht zu wechseln. Noch vor wenigen Jahrzehnten sei diese Entwicklung kaum vorstellbar gewesen. Heute sei die sexuelle Selbstbestimmung in ihren unterschiedlichen Ausprägungen Mainstream. Wer eine andere Position vertrete, riskiere Respekt und gesellschaftliche Anerkennung.
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Logische Argumente haben an Bedeutung verloren
So plötzlich viele Veränderungen eingetreten sind, für Trueman haben sie eine lange Vorgeschichte. In seinen Büchern Der Siegeszug des Modernen Selbst und Fremde Neue Welt hat er sie gründlich analysiert. Auf der Konferenz skizzierte er die Entwicklung des westlichen Denkens seit der Reformationszeit und zeigte, wie sich der heutige „expressive Individualismus“ über die letzten Jahrhunderte herausgebildet hat. Christen ermutigte er, angesichts der Entwicklungen nicht die Hoffnung zu verlieren, sondern Menschen anhand von Gottes Wort Orientierung zu geben. Er betonte auch, dass logische Argumente an Kraft und Bedeutung verloren hätten. Wahr sei heute für viele, was ihnen ein gutes Gefühl gebe. Und die Gefühlswelt wiederum sei stark von Filmen, Freundschaften und sozialen Netzwerken geprägt. Es sei daher besonders wichtig, dass Christen nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz und die Sinne ansprechen – zum Beispiel durch gut durchdachte Gottesdienste und herzliche Gastfreundschaft.
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Von Jesus lernen, auf Sünder zuzugehen
Die Vorträge von Carl Trueman wurden durch Predigten zum 1. Petrusbrief ergänzt. Christian Wegert, Hauptpastor der Arche-Gemeinde, sprach etwa über Jesus Christus als den „kostbaren Eckstein“ (1Petr 2,1–10). Jesus „ist der alles entscheidende Eckstein, den Gott in Zion gelegt hat. Mit ihm steht und fällt dein Leben“, rief er den Konferenzteilnehmern zu.
Philipp Bartholomä, Professor für Praktische Theologie an der Freien Theologischen Hochschule Gießen, forderte die Konferenzteilnehmer heraus, liebevoll und barmherzig mit Menschen aus der LGBTQ-Community umzugehen. Jesus Christus sei in den Augen der Religiösen verschrien gewesen als „Freund der Sünder“. Offensichtlich habe er sich keine Sorgen darüber gemacht, dass seine Nähe zu Sündern den Eindruck vermitteln könnte, er würde Sünde gutheißen oder verharmlosen. Vielmehr habe Jesus damit gerechnet, dass seine Reinheit und Heiligkeit auf seine Umgebung abfärbt und sie zu Gottes Ehre verändert. Bartholomä folgerte: „Wenn wir dem Heiligkeitsstandard Jesu treu sein wollen, dann müssen wir sexuelle Sünde bei uns und bei anderen immer noch ‚Sünde‘ nennen. Aber dann müssen wir uns den sexuellen Sündern eben auch barmherzig, gütig und mitfühlend zuwenden wie Jesus – in ihren fehlgeleiteten Begierden, in ihren inneren Kämpfen um Geschlechtsidentitäten, in ihrer Zerrissenheit und auch in ihrer Rebellion gegen Gott.“ Eine der großen Fragen, die sich Gemeinden heute stellen müssten, sei: „Was müsste passieren, dass unsere Gemeinden tatsächlich den Ruf bekommen, ‚Freunde der Sünder‘ zu sein?“
Die Kraft des persönlichen Zeugnisses
Ron Kubsch, Generalsekretär von Evangelium 21, rief dazu auf, Menschen vorzuleben, dass ein Leben nach Gottes Willen attraktiv ist. Dafür wählte er das Beispiel von Ehe und Familie. „Wenn wir genauer hinschauen, ist das emanzipatorische Familienmodell gar nicht so erfolgreich. Ein Leben, in dem jeder nur nach dem sucht, was ihm einen Vorteil bringt, ist anstrengend.“ Neueste soziologische Studien belegten, dass viele berufstätige Frauen gerne mehr Zeit zu Hause verbringen würden. Familien mit Jesus Christus als Haupt biete sich da eine große Chance, ein anziehendes Zeugnis zu sein. Es sei für die Welt ein Rätsel, wenn ein Ehepaar sich auch im hohen Alter noch liebe, wenn Frauen ihre Männer auch nach zehn Jahren Ehe noch schätzten und wenn ein Mann gerne verständnisvoll, achtsam und treu mit seiner Frau zusammenlebe und sie wirklich liebe. „Christliche Familien und das gesamte Leben der Christen sollen der Welt Rätsel aufgeben, dessen einzige Lösung Jesus Christus ist“, sagte Kubsch.
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Hoffnung weitergeben
Eine positive Bilanz der Konferenz zog Matthias Lohmann, 1. Vorsitzender von Evangelium21: „Die Vorträge und Predigten haben uns geholfen, aktuelle Gesellschaftsentwicklungen besser zu verstehen und zu erkennen, wie wir als Christen damit umgehen können.“ In der Auseinandersetzung mit den aktuellen Trends bestehe immer die Gefahr, mit Kampf oder Rückzug zu reagieren. Die Bibel zeige aber einen ganz anderen Weg: „Wir sind als Christen nicht dazu berufen, uns aus der Welt zurückzuziehen oder gar mit Panik oder Hass auf die gesellschaftlichen Veränderungen zu reagieren. Stattdessen dürfen wir Hoffnung haben und Hoffnung weitergeben, weil wir zu Jesus Christus gehören, der diese Welt überwunden hat!“ Besonders ermutigt zeigte sich Lohmann angesichts der vielen jungen Konferenzteilnehmer: Rund 700 der insgesamt 1.100 Besucher seien 35 Jahre oder jünger gewesen.
Die Vorträge der Konferenz stehen ab sofort bei YouTube und in der Mediathek von Evangelium21 bereit, ebenso die Tonmitschnitte der Seminare und Workshops.
Zu dem Netzwerk von Evangelium21 gehören Christen aus verschiedenen Kirchen und Gemeinden. Sie verbindet das uneingeschränkte Vertrauen in die Heilige Schrift sowie eine Theologie, die auf die von den Reformatoren wiederentdeckten Wahrheiten ausgerichtet ist: Gnade allein, Glaube allein, die Schrift allein, Christus allein und zu Gottes Ehre allein. Regelmäßig veranstaltet das Netzwerk Konferenzen und Regionaltreffen.