Beziehungen aufbauen

Der erste Schritt zur Evangelisation

Artikel von Paul Billings
2. Juli 2024 — 8 Min Lesedauer

Es gehört zu den liebsten Beschäftigungen meiner Kinder, am Strand Gräben zu ziehen und dabei zuzusehen, wie die Wellen sie mit Wasser füllen. Der erste Schritt zur Evangelisation ist wie das Ziehen solcher Gräben im Sand, damit das Wasser des Evangeliums einen Kanal hat, in den es fließen kann.

Ich lehre oft über Evangelisation. Wenn ich Fähigkeiten zum Aufbau von Beziehungen erwähne, denken manche Christen: „Muss das wirklich gesagt werden? Ich bin hier, um zu lernen, wie ich das Evangelium weitergeben kann. Ich möchte, dass sich Menschen bekehren. Ich bin nicht hier, um zu lernen, wie man Freundschaften aufbaut.“

Sind „soziale Kompetenzen“ in der Evangelisation wichtig? Ich glaube schon – vor allem in der heutigen Welt. Warum?

Erstens: Die Bibel betont Freundschaft. Paulus sagt von den Ältesten, den Männern, von denen man erwartet, dass sie der ganzen Gemeinde ein Vorbild sind: „Er muss aber auch ein gutes Zeugnis haben von denen außerhalb [der Gemeinde], damit er nicht in üble Nachrede und in die Fallstricke des Teufels gerät“ (1Tim 3,7). Ich denke, dass ein Teil des Zeugnisses eines Ältesten darin besteht, dass er gute Beziehungen zu Nichtchristen aufgebaut hat, die ihn als einen integren Mann wahrnehmen.

Zweitens: Unsere Technologie verhindert Freundschaft. Ich arbeite mit Studenten und beobachte das aus nächster Nähe. Die Menschen sind sozialer geworden, aber weniger persönlich. Christen mit guten zwischenmenschlichen Fähigkeiten fallen auf in einer Welt, in der die meisten Menschen sich mehr auf ihr Smartphone konzentrieren als auf die Person, die vor ihnen steht.

Drittens: Gute Evangelisten legen viel Wert auf Freundschaft. Betrachte diesen Punkt als meine Meinung. Evangelisation ist mein Beruf. Ich liebe Evangelisation. Und aus meiner Sicht neigen diejenigen, die das am effektivsten tun, dazu, dass sie viel Zeit damit verbringen, über den Aufbau von vertrauensvollen Beziehungen zu Nichtchristen nachzudenken, zu planen und zu beten. Die besten Evangelisten fragen nicht nur: „Mit wie vielen Menschen kann ich das Evangelium teilen?“, sondern auch: „Wer da draußen vertraut mir genug, um mich anzurufen, wenn Gott in seinem Leben zu wirken beginnt?“

Nachdem wir die Gründe betrachtet haben, findest du hier acht Möglichkeiten, um in deiner Familie, an deinem Arbeitsplatz oder in deiner Nachbarschaft mehr Beziehungen aufzubauen.

Starte mit einem Lächeln

Ich weiß, dass sich das geradezu lächerlich anhört, aber ja, es ergibt Sinn, dass Christen gelegentlich lächeln.

Ein Lächeln ist der sicherste Weg, um im Leben eines Nichtchristen positiv aufzutreten. Es ist der Ausdruck, den man aus der Ferne am besten erkennt. Es ist ein universelles Zeichen von Glück. Das ist keine Populärpsychologie. In den Sprüchen heißt es: „Ein fröhliches Herz macht das Angesicht heiter“ und „ein freundlicher Blick erfreut das Herz“ (Spr 15,13.30).

Betreibe Small Talk

Small Talk wird oft unterschätzt. Ich sage „unterschätzt“, weil sich Prediger in der Regel mehr auf „God Talk“ als auf Small Talk konzentrieren. Das ergibt auch Sinn! Wir lieben es, über die großen Wahrheiten des Glaubens zu sprechen, und das sollten wir auch. Und doch ist Small Talk die Tür zu fast jeder wichtigen außerfamiliären Beziehung in deinem Leben. Um ein gutes Zeugnis abzulegen, muss man aufmerksam und wertschätzend auf die alltägliche Lebenswelt der Menschen achten.

Für guten Small Talk solltest du die Rolle des „Moderators“ übernehmen. Wenn du dich als Moderator des Gesprächs verstehst, wird es natürlicher. Du stellst Fragen, nickst und stellst Blickkontakt her. Du versuchst, Stress abzubauen, anstatt ihn zu verursachen. Small Talk ist oft der Anfang von Evangelisation. Wenn wir ihn gut führen, werden wir zu der Art von Menschen, mit denen andere über ernstere Themen sprechen wollen.

Halte dich mit deiner Meinung zurück

Vor Kurzem las ich mit jemandem beim Mittagessen in der Bibel. Gemeinsam diskutierten wir über einen Text. Jemand vom Nachbartisch beugte sich zu uns herüber und fragte: „Können Sie mir vielleicht sagen, wie spät es ist?“ Ich konnte, aber als ich ihn ansah, bemerkte ich, dass meine Antwort nicht wirklich brauchte. Er trug eine Armbanduhr.

Ich fragte ihn, wie sein Essen war (Small Talk!), und dann sagte er: „Ich habe noch nie erlebt, dass Leute die Bibel wirklich ernst nehmen. Was Sie da tun, finde ich wirklich interessant.“ Was folgte, war ein zwanzigminütiges Gespräch über das Evangelium und unsere Weltanschauungen, bei dem er hauptsächlich redete und wir zuhörten. Gegen Ende des Gesprächs, das meiner Meinung nach gut lief, lehnte ich mich zurück und verschränkte meine Arme. Er sagte: „Oh, es sieht so aus, als wäre ich Ihnen zu nahe getreten oder so.“ Ich versuchte ihm zu versichern, dass das nicht der Fall war, aber das Gespräch war bald beendet. Ohne es zu merken, hatte ich begonnen, unser Gespräch als eine Art Wettkampf zu betrachten, aus der ich als Sieger hervorgehen musste, statt als Gelegenheit, einen Menschen zu lieben und besser zu verstehen. Ich hätte besser daran getan, nicht gleich über das nachzudenken, was ich erwidern könnte.

Zeige Interesse

Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, Beziehungen zu Fremden aufzubauen. Die eine sind Gemeinsamkeiten. Wenn ich einen Mann mittleren Alters treffen würde, der gern Golf spielt, in die Gemeinde geht, gern liest, Grillabende mag und Vater ist, würde es nicht lange dauern, bis wir Freunde wären. Das Problem ist jedoch, dass es in meinem Leben nicht allzu viele solcher Menschen gibt.

Ich habe herausgefunden, dass es besser ist, nicht so zu tun, als ob man mit jedem Menschen Gemeinsamkeiten hätte, sondern sich einfach für jeden zu interessieren. Das ist doch die Art von Freund, die man sich wünscht, oder? Wir alle würden uns über einen Freund freuen, der uns seine Zeit und sein Interesse schenkt.

Ich habe auch gelernt, meine Erwartungen anzupassen: Ich sollte mich für das Leben anderer interessieren, bevor ich erwarte, dass sie sich für mein Leben interessieren, insbesondere für mein Glaubensleben.

Geh mit deinen Schwächen offen um

Normalerweise verbergen wir Schwächen, vor allem bei Nichtchristen. In diesem Instinkt steckt Weisheit. Aber er kann auch die Ansicht entlarven, dass wir, um ein gutes Zeugnis zu sein, eine nie versiegende Quelle von Kompetenz und Stärke sein müssen. Nur weil man Christ ist, heißt das nicht, dass man keine Schwierigkeiten bei der Arbeit oder auf eine schwierige Frage keine Antwort hat.

„Nur weil man Christ ist, heißt das nicht, dass man keine Schwierigkeiten bei der Arbeit oder auf eine schwierige Frage keine Antwort hat.“
 

Offenheit bei Schwächen bringt Menschen einander näher. Wenn du von anderen erwartest, dass sie dir ihre Schwächen mitteilen, warum solltest du das nicht auch tun? Abgesehen von der pragmatischen Seite des Ganzen zeigt das Teilen von Schwächen auch, dass unser Evangelium für schwache Menschen wie uns ist und dass ich durch eine Stärke lebe, die nicht meine eigene ist.

Zeige aufrichtige Wertschätzung

Nur weil jemand nicht gläubig ist, heißt das nicht, dass diese Person nichts Lobenswertes an sich hätte. Ich erinnere mich an ein Mittagessen mit einem treuen Pastor in einem beliebten Restaurant in der Stadt. Wir bemerkten, dass eine Gruppe von Müttern mit ihren Kindern am Tisch neben uns saß. Der Pastor beugte sich zu ihnen hinüber, gewann ihre Aufmerksamkeit und sagte: „Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit als Mutter. Ich bin selbst Pastor und Vater und sehe, was für ein Segen Mütter für ihre Kinder sind.“

Was für ein gutes Zeugnis für das Evangelium! Denke einmal darüber nach: Die Menschen, die du am meisten kritisierst, rufen dich nicht an, wenn es ihnen schlecht geht. Das tun vielmehr jene Menschen, die du aufrichtig lobst. Und wenn ich ehrlich bin, liegt der Grund dafür, dass ich andere nicht öfter lobe, weniger in der Angst, ihnen zu schmeicheln, als in einem Mangel an Aufmerksamkeit.

Diene

Die Hochschulgruppe, die ich leite, veranstaltet jeden Sommer einige Veranstaltungen mit dem Ziel, Christen in den Grundlagen des Glaubens zu stärken. Es ist wunderbar zu sehen, wie die Studenten mit neuer Entschlossenheit nach Hause gehen, um ihren Freunden und Familien von Jesus zu erzählen.

„Vor allem bei Familienmitgliedern und engen Arbeitskollegen sagen Taten oft mehr aus als Worte.“
 

Doch bevor sie sich auf den Weg machen und anderen all ihre theologischen Entdeckungen erläutern, ermutigen wir sie, Dinge zu tun wie Müll rausbringen, ihr Zimmer aufräumen, mit dem Hund spazieren gehen und nach dem Abendessen den Abwasch machen. Vor allem bei Familienmitgliedern und engen Arbeitskollegen sagen Taten oft mehr aus als Worte.

Das ist genau das, was Petrus für wichtig hielt, den Frauen mitzuteilen, die mit nicht-christlichen Ehemännern verheiratet sind:

„Gleicherweise sollen auch die Frauen sich ihren eigenen Männern unterordnen, damit, wenn auch etliche sich weigern, dem Wort zu glauben, sie durch den Wandel der Frauen ohne Wort gewonnen werden, wenn sie euren in Furcht keuschen Wandel ansehen.“ (1Petr 3,1–2)

„Ohne Wort gewonnen werden“ – natürlich müssen unsere nicht-christlichen Familienangehörigen, Freunde und Mitarbeiter die Gute Nachricht hören. Aber oft haben sie das schon, vielleicht sogar von dir. Ihr Interesse wird vielleicht nicht durch den neuesten Tipp aus dem Apologetikbuch geweckt, das du gelesen hast, sondern durch deinen demütigen Dienst.

Fazit

Die Menschen sind zunehmend skeptisch gegenüber der Kirche. Könnte Gott immer noch über Nacht Scharen von verlorenen Menschen in unsere Gemeinden bringen? Ohne Weiteres. Aber höchstwahrscheinlich wird es etwas von dir und mir erfordern. Wir müssen ein paar Gräben ziehen. Und diese Arbeit könnte mit etwas so Kleinem wie einem Lächeln beginnen.