Wie Frauen Jesus sahen

Rezension von Rahel Fröse
11. Juli 2024 — 8 Min Lesedauer

Das Buch Wie Frauen Jesus sahen von Rebecca McLaughlin ist mir in der Vorbereitung auf eine Frauenfreizeit, in der es um Begegnungen Jesu mit Frauen im Neuen Testament ging, schon im Englischen zum großen Segen geworden. Mit viel Freude vernahm ich daher die Nachricht, dass dieses Buch von der Christlichen Verlagsgesellschaft Dillenburg übersetzt und herausgegeben wurde.

Es ist in seiner kurzen und leicht verständlichen Art ein toller Einblick und Überblick über (fast) alle kurzen und langen Begegnungen, die Jesus in den Evangelien mit Frauen hatte. Dabei schafft es McLaughlin, uns in die damalige Zeit mit hineinzunehmen. Sie hilft uns, durch die Augen der Frauen einen tiefen Blick auf Jesus und sein liebendes Herz zu bekommen.

Frauen im Zentrum?

In der heutigen Zeit gibt es die verschiedensten Auffassungen darüber, was Frausein bedeutet. Die Strömungen aus unterschiedlichen Richtungen sind verwirrend. Dabei rede ich nicht nur vom Feminismus und der Gender-Debatte. Auch in unseren christlichen Kreisen fehlt mir oft neben den schönen Zitaten à la „Du bist wertvoll“ der feste Unterbau der klaren Botschaft des Evangeliums.

Wenn wir uns fragen, wer wir Frauen sind, woher unser Wert kommt und was Gott zu uns sagt, dann finde ich keine bessere Antwort darauf, als zu studieren, wie Jesus mit Frauen umging.

Das Buch Wie Frauen Jesus sahen macht deutlich, wie Jesus Frauen begegnete und was sich davon auch für unser eigenes Leben ableiten lässt. Dieses Buch stärkt Frauen also nicht im feministischen Sinne, sondern erleuchtet ganz neu den Blick auf Jesus hin – wie anders er war, wie liebevoll er war, wie vergebend er war. Wie er den Einzelnen sah und liebte – darunter viele Frauen:

„Die vier neutestamentlichen Evangelien erzählen viele Geschichten, in denen Jesus auf Frauen trifft. Arme Frauen und reiche Frauen. Kranke Frauen und trauernde Frauen. Alte Frauen und junge Mädchen. Jüdische Frauen und nicht jüdische Frauen. Für ihre Sünden berüchtigte Frauen und tugendhafte Frauen. Jungfrauen und Witwen. Prostituierte und Prophetinnen. Wenn wir durch ihre Augen auf Jesus schauen, sehen wir einen Mann, der die unterschiedlichsten Frauen wertschätzte – insbesondere die, auf die andere herabsahen. Die Art und Weise, wie Jesus Frauen behandelte, räumte mit der damaligen Vorstellung auf, dass Frauen Männern von Geburt aus unterlegen seien – eine Vorstellung, die in der Antike weitverbreitet war. Daher sollte es uns nicht überraschen, dass Frauen seitdem in Scharen zu Jesus kamen und noch heute kommen.“ (S. 8–9)

Jesus im Zentrum

Die Autorin gräbt durch ihr großes Wissen immer wieder Schätze aus, die mir auch bei so bekannten Geschichten wie der Samariterin am Brunnen (vgl. Joh 4) nicht bewusst waren. Dabei ist es schon allein so wertvoll zu erkennen, wie reich und tiefgründig die Worte der Bibel sind und welch große Bedeutung selbst die kleinsten Begegnungen und Worte haben können.

„Das Buch hat mir meine Freude am Studieren von Gottes Wort wieder neu geschenkt und mir gezeigt, welcher Reichtum zu entdecken ist.“
 

Das Buch ist in sechs kurze Kapitel aufgeteilt, die immer einen Überbegriff haben (Prophetie, Jüngerschaft, Speise, Heilung, Vergebung, Leben). So sind in dem Kapitel über Heilung etwa die Geschichten von der Heilung der Schwiegermutter des Petrus, der Frau, die an Blutfluss litt, die Auferweckung des zwölfjährigen Mädchens und die Heilung der verkrümmten Frau enthalten. Ziel ist es, in jeder dieser Geschichten zu sehen, wer Jesus ist und was er tut. Immer wieder hält die Autorin inne und fragt: Wie sieht diese Frau Jesus gerade in dieser Situation? Hier ein Beispiel aus der Geschichte der Auferweckung des Jünglings zu Nain:

„Wie sehen wir Jesus durch die Augen dieser Witwe? Wir sehen ihn als den, der zu uns kommt, bevor wir ihn rufen, und der Mitleid hat. Wir sehen ihn als den, der uns in unserer tiefsten Trauer begegnet und seine Macht zur Auferweckung der Toten unter Beweis stellt. Genauso wie er dieser Frau sagte, sie solle nicht weinen, wird Jesus eines Tages jede Träne von unserer Augen wischen, wenn wir nur auf ihn vertrauen.“ (S. 90)

Ich finde es immer wieder schön, wie die Autorin den Bogen zieht vom Leben und Erleben der Frauen damals hin zu dem, wie wir Jesus heute sehen und erleben können. Wie sie ihn sahen und wie wir ihn heute sehen können.

Warum ich dieses Buch empfehle

1. Es schürt die Liebe zu Gottes Wort

Wie oben schon erwähnt, empfinde ich dieses Buch zum einen als Schatz in der Auslegung der Geschichten, in denen Frauen vorkommen. Genauso kann es aber auch ein Anreiz dazu sein, in ebendieser Weise all die anderen Geschichten zu lesen, die Sinne zu schärfen und die Kleinigkeiten nicht zu übersehen. Zum Beispiel gab Jesus sich das erste Mal einer ausländischen Frau gegenüber als Messias zu erkennen. Auch wurde eines der größten Ich-Bin-Worte Jesu („Ich bin die Auferstehung und das Leben“, Joh 11,25) allein einer trauernden Frau gesagt. Das Buch hat mir meine Freude am Studieren von Gottes Wort wieder neu geschenkt und mir gezeigt, welcher Reichtum zu entdecken ist.

2. Es lässt Jesus wunderschön erstrahlen

Für mich als Frau ist es ein Wunder, zu sehen, wie Jesus den Frauen seiner Zeit begegnete. Wie er sich Zeit für sie nahm (etwa für die Samaritern) und sie ernst nahm (wie Maria und Martha). Wie er sich ihnen zuwandte, wenn sie ihn suchten, oder auch wenn sie ihn nicht suchten. Wie er liebevoll den Einzelnen sah, planvoll Begegnungen initiierte, Frauen vor der geistlichen Elite in Schutz nahm und ihre Scham bedeckte. Wie er Frauen in die Jüngerschaft rief und diese von Anfang bis Ende Augenzeugen aller wichtigen Ereignisse im Leben Jesu wurden. Jesus wird groß gemacht in den vielen kleinen Begegnungen, die er mit Frauen hatte. Es gibt in meinen Augen nichts Wichtigeres im Leben als Christ, als darin zu wachsen, Jesus zu lieben und zu kennen. Dazu kann dieses Buch einen schönen Beitrag leisten.

3. Es ist kurz und verständlich und dennoch tief und reich

Dicke Bücher haben auf mich oft eine abschreckende Wirkung. Das vorliegende Buch ist klein und kompakt, passt in jede Handtasche und eignet sich wunderbar, um immer wieder kleine Passagen zu lesen, ohne den Faden zu verlieren – was gerade für Mütter ideal ist. Ich finde es super, dass es sich dabei um ein Studium aller Frauen in den Evangelien handelt und einen schönen Überblick bietet. Obwohl McLaughlin eine sehr gebildete Doktorin englischer Literatur ist, ist ihr Schreibstil sehr einfach zu verstehen und dennoch voller Schönheit in der Sprache. Vielleicht macht das auch die wahre Kunst aus? Wichtige Wahrheiten in Einfachheit und dennoch mit Tiefe zu beschreiben und auch den persönlichen Bezug nicht aus dem Blick zu verlieren – das zeichnet dieses tolle Buch von vorn bis hinten aus.

Ein Buch für eure nächste Frauengruppe?

Mit meinem Frauenhauskreis möchten wir demnächst beginnen, dieses Buch zu lesen. Es eignet sich meiner Meinung nach hervorragend dafür, da am Ende der einzelnen Kapitel Diskussionsfragen angehängt sind, mit jeweils einer Eisbrecher-Frage. Falls noch Zeit und Raum ist, gibt es im Anschluss an die Fragen auch noch einen weiteren Bibeltext zum genaueren Hinsehen.

„Wir brauchen in unserer Zeit Frauen, die wissen, wer sie sind. Frauen, die fest stehen, nicht weil sie sind, wer sie sind, sondern weil Jesus Christus ihnen ihren Wert zuspricht.“
 

Wir brauchen in unserer Zeit Frauen, die wissen, wer sie sind. Frauen, die fest stehen, nicht weil sie sind, wer sie sind, sondern weil Jesus Christus ihnen ihren Wert zuspricht. Das tat er eindrücklich damals, als er über diese Erde ging – und davon zeugt dieses Buch auf sehr schöne Weise. Er tut es aber auch heute noch, Gott sei gelobt und gedankt, in der gleichen wunderbaren Weise.

„Wie sehen wir Jesus durch die Augen dieser Frauen? Wir sehen ihn als den, der unser Verletztsein heilt und unsere Bedürfnisse stillt. Wir sehen ihn als den, der unsere Sünde auf sich nimmt und uns mit unvorstellbarer Liebe annimmt. Wir sehen ihn als den, der uns sieht, selbst wenn alle anderen uns den Rücken kehren, und als den, der uns einlädt, von ihm zu lernen und unsere dürftige Liebe vor seinen Füßen auszuschütten. Wir sehen ihn als den, der der Retter der ganzen Welt ist, aber gleichzeitig jeden Einzelnen von uns mit Namen kennt … Wir sehen ihn als den, der die Scherben unserer zerbrochenen Herzen und Körper aufsammelt und der allein die Macht hat, uns ganz zu machen. Wir sehen ihn als den, der dem Tod aufgrund des Gerichtes Gottes am Kreuz ins Auge sah, damit er uns ansehen und in das ewige Leben rufen kann.“ (S. 143)

Auch wenn das Buch sicher mehr zu Frauen spricht, ist es übrigens auch eine hervorragende Lektüre für jeden Mann!

Buch

Rebecca McLaughlin, Wie Frauen Jesus sahen: Wie die ersten Jüngerinnen uns helfen, den Herrn kennen und lieben zu lernen, Dillenburg: CV, 2024, 160 Seiten, 15,90 EUR.
Das Buch kann auch direkt beim Verlag bestellt werden.