Reaktivität überwinden

Rezension von Samuel Stolz
18. Juli 2024 — 4 Min Lesedauer

Hast du in den sozialen Medien schon mal eine Reaktion erhalten, in der du persönlich angegriffen wurdest? Oder einen Kommentarverlauf bei X (ehemals Twitter), Facebook oder YouTube gelesen und gemerkt: Hier geht es nur darum, einander fertigzumachen? Vielleicht hast du auch selbst schon Kommentare verfasst, die mehr von Selbstruhm als von Demut und Liebe geprägt waren? Diese falsche „Reaktivität“ hat sich in den letzten Jahren ausgebreitet wie ein Krebsgeschwür. Das Buch Reaktivität überwinden: Wie das Evangelium unsere digitale Kommunikation entgiftet spricht diese Krankheit an und gibt die beste Medizin: das Evangelium. Lass mich vorweg sagen: Wenn du dich in den sozialen Netzwerken bewegst, ist dieses Buch ein Must-read!

Eine ehrliche Diagnose

Der Verfasser Paul Tripp, bekannter Seelsorger und Autor vieler Bücher, war bereits bei den Anfängen der sozialen Medien dabei. Er hatte sich vorgenommen, diese Plattformen zu nutzen, um das Evangelium strahlen zu lassen. Nach mehr als „dreizehntausend Tweets“ (S. 17) blickt er auf seine zahlreichen Interaktionen in den sozialen Medien zurück und beleuchtet diese Welt mit Evangeliums-Augen. Er geht dabei vor wie ein Arzt: Er erläutert die Symptome, das dahinterliegende Virus der Sünde(n) und gibt Hilfsmittel an die Hand, mit denen die Krankheit angegangen werden kann.

Tripp beginnt mit dem Problem der Reaktivität, indem er zeigt, dass Hasskommentare, Beleidigungen und persönliche Angriffe in den sozialen Medien nicht nur unter Ungläubigen, sondern auch oft unter Christen vorkommen. Besserwisserei und Rechthaberei sowie emotionale, selbstgerechte und rachsüchtige Reaktionen stehen an der Tagesordnung. Doch die von Gott erdachte Art der Kommunikation sieht anders aus. Sie ist von Liebe, Gnade und gegenseitigem Respekt durchdrungen. Aber wie gelangen wir zu solch einer Art der Kommunikation?

„Wir brauchen das Evangelium in all seinen leuchtenden Aspekten, um siegreich gegen Sünde (in den sozialen Medien und darüber hinaus) zu kämpfen.“
 

Um diese Frage zu klären, wendet Tripp (wie in vielen seiner Bücher) das Evangelium aus verschiedenen Blickwinkeln auf die falsche Reaktivität an. Er zeigt zuerst die tieferliegenden Wurzeln der Sünde auf (Kap. 3). Hier geht er mit den Christen hart ins Gericht:

„Wenn das Ziel der christlichen Religion die Liebe aus reinem Herzen ist, dann ist ein Großteil des Christentums in den sozialen Medien eine falsche Religion. Sie mag theologisch bewandert und biblisch belesen sein, aber sie ist die Religion der Pharisäer.“ (S. 61)

Ein wirksames Heilmittel

Dabei bleibt er jedoch nicht stehen. Die verbleibenden Kapitel vier bis zwölf verwendet Tripp, um darzustellen, wie diese Reaktivität überwunden werden kann. Egal ob es eine verschobene Identität, ein falsches Bild auf die Ewigkeit, eine erhöhte Selbstüberschätzung oder einfach die fehlende Liebe zu meinen Mitmenschen ist: Wir brauchen das Evangelium in all seinen leuchtenden Aspekten, um siegreich gegen Sünde (in den sozialen Medien und darüber hinaus) zu kämpfen. Wer hingegen Gott, seine Herrlichkeit und seinen ewigen Plan vergisst, wird schnell im Strudel der Reaktivität gefangen sein:

„Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Ursache dieser Destruktivität, die unsere Kommunikation, unsere Beziehungen, unseren Dienst und unser Zeugnis stört und verdirbt, hauptsächlich darin liegt, dass Gottes Plan in Vergessenheit geraten ist. Das Ergebnis dieser Amnesie ist Angst.“ (S. 122)

In diesen seelsorgerlich wertvollen Kapiteln schafft Tripp es, die Auswirkungen des Evangeliums, einschließlich der grundlegenden Veränderung von Menschen, strahlen zu lassen. Beim Lesen fällt immer wieder auf, wie tief er sein eigenes Herz und das vieler Christen kennt. So ist dieses Buch zwar für die konkrete Situation in den sozialen Medien geschrieben, die Evangeliums-Wahrheiten lassen sich beim Lesen aber unmittelbar auf weitere Lebensbereiche anwenden.

Ein nützliches Buch

Wer Tripps Bücher kennt, der wird in diesem Buch ein bekanntes Muster finden: Er schreibt über einen Bereich und bringt „einfach“ das Evangelium in die Situation. Für den einen oder anderen könnte seine Art wiederholend wirken. Ich würde behaupten: Die meisten Menschen brauchen das, um sich in ihre Herzen sprechen zu lassen. Das Buch von Verbum Medien lässt sich mit seinen 209 Seiten gut lesen. Die Übersetzung ist gut gelungen und viele Einzelzitate stechen direkt ins Herz. Der Titel kann etwas irreführend sein, da zumindest bei mir eher Assoziationen zum Chemie-Unterricht statt den sozialen Medien geweckt wurden.

Fazit: Tripp findet einen ausgewogenen Blick auf X, Instagram & Co. Er verteufelt die Medien nicht, sondern zeigt, dass sie oft Ausdruck der bösen Herzen sind, die sich auf diesen Plattformen tummeln. Wer einen gesunden Umgang mit den sozialen Medien erlernen und gleichzeitig viel über das eigene Herz und das Evangelium erfahren möchte, dem kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen!

Buch

Paul David Tripp, Reaktivität überwinden: Wie das Evangelium unsere digitale Kommunikation entgiftet, Bad Oeynhausen: Verbum Medien, 2024, 12,90 EUR, 209 Seiten.
Das Buch kann auch direkt beim Verlag bestellt werden.