Erweckung braucht Gebet

Lektionen von Jonathan Edwards und dem First Great Awakening

Artikel von Mark Rogers
23. August 2024 — 13 Min Lesedauer

Jonathan Edwards war Teil einer außergewöhnlichen Erweckung in den 1730er und 1740er Jahren. Nur wenige Christen würden behaupten, dass das sogenannte First Great Awakening (dt. Erste Große Erweckung) das Ergebnis einer künstlich hervorgerufenen oder manipulierten Erweckungsduselei war. Was viele jedoch übersehen ist, dass Edwards diese Erweckung von ganzem Herzen anstrebte, bevor sie in seine Kirche und sein Land einbrach. Er sehnte sie herbei und betete darum, und als sie da war, drängte er andere dazu, ihre Flammen durch den bewussten Einsatz bestimmter Mittel anzufachen.

Meine Behauptung mag diejenigen überraschen, die das First Great Awakening als eine Reihe von Erweckungen betrachten, bei denen „die Mittel nicht offensichtlich sind“, sondern „direkt aus der Gegenwart des Herrn zu kommen schienen, unerwartet und ohne dass sie erbeten worden wären“.[1] Jahrzehntelang haben Historiker und Pastoren das First und das Second Great Awakening dadurch voneinander abgegrenzt, dass sie behaupteten, die Führer der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts hätten bestimmte Methoden benutzt, wohingegen Edwards und die Führer der Erweckung im 18. Jahrhundert dies nicht getan hätten.

Bei dieser gängigen Darstellung wird verschwiegen, dass Edwards zu einem energischen Einsatz biblischer Mittel aufrief, mit dem ausdrücklichen Ziel, miterleben zu wollen, wie Gott eine außergewöhnliche Erweckung sendet.

„Es gibt sehr viel, was uns davon überzeugt, dass Gott allein sie schenken kann, und was unsere völlige und absolute Abhängigkeit von ihm zeigt. Die Unzulänglichkeit menschlicher Fähigkeiten, eine solch glückliche Veränderung in der Welt herbeizuführen ... tritt jetzt in bemerkenswerter Weise zutage.“[2] Dennoch habe Gott auch bestimmt, dass sein Volk die von ihm gegebenen Mittel nutzen solle, um dieses große Werk zu vollbringen. Erweckung sei keine Gabe Gottes, die ohne menschliches Zutun zustande käme, argumentierte Edwards, sondern ein Werk, das „durch Mittel vollbracht wird“[3]. Daher sei es die Pflicht aller, „an dem Platz, an den Gott sie gestellt hat, ihr Möglichstes zu tun, um sie zu fördern“[4].

Edwards wartete nicht passiv ab, bis Gott eine Erweckung schickte, die unerwartet und unaufgefordert kommen würde. Edwards glaubte, dass die Bibel und insbesondere die biblische Prophetie auf drei spezifische Mittel hinwiesen, die zu der großen Erweckung gehörten, die Gott senden würde: (1) die Verbreitung der Botschaft von Gottes Handeln, (2) die Verkündigung der Wahrheit und (3) das gemeinsame Gebet. In diesem Artikel geht es um Edwards Aufruf zum gemeinsamen Gebet und um dessen Auswirkungen bei denen, die seinem Aufruf folgten.

Ein demütiger Versuch

Im Jahr 1743, als das Great Awakening noch immer durch die Kolonien fegte, schrieb Edwards Some Thoughts Concerning the Present Revival of Religion in New England (dt. „Einige Überlegungen zu der gegenwärtigen religiösen Erweckung in Neuengland“). In Teil V ermutigt er die Geistlichen, zusammenzukommen und für das Wachstum und die Ausbreitung der Erweckung zu beten.[5] Edwards Ermutigung trug im Oktober 1744 Früchte, als eine Gruppe schottischer Pfarrer zusammenkam, um ein vierteljährliches „Gebetskonzert“ zu planen. Als Edwards Ende 1745 durch seine schottischen Freunde davon erfuhr, war er begeistert. Er veranlasste seine Gemeinde, sich am Gebetskonzert zu beteiligen, und veröffentlichte 1747 An Humble Attempt to Promote Explicit Agreement and Visible Union of God’s People in Extraordinary Prayer For the Revival of Religion and the Advancement of Christ’s Kingdom on Earth, pursuant to Scripture-promises and Prophecies concerning the Last Time (dt. „Ein demütiger Versuch, das besondere Einvernehmen und die sichtbare Einheit des Volkes Gottes im außerordentlichen Gebet für die Wiederbelebung der Religion und die Ausbreitung des Reiches Christi auf Erden gemäß den Verheißungen und Prophezeiungen der Schrift über die Endzeit zu fördern“)[6].

Mit seinem Buch An Humble Attempt wollte Edwards das schottische Gebetskonzert bekannt machen und die Leser zur Teilnahme auffordern. Das Buch bietet eine durch und durch biblisch fundierte Argumentation. Er stellt darin wiederholt die Verbindung zwischen den Gebeten des Volkes Gottes und dem Segen der Erweckung dar: „Die Propheten sprechen in ihren Prophezeiungen über die Wiederherstellung und den Aufstieg der Kirche sehr oft davon, dass dies als Antwort auf die Gebete des Volkes Gottes geschehen werde. … Die Heilige Schrift gibt uns starke Gründe zu der Annahme, dass, wenn einmal in der Kirche Gottes ein großer Geist des Gebets für diese Barmherzigkeit zum Vorschein kommt, sie bald vollbracht sein wird.“[7]

„Die außergewöhnlichen Gebete seines Volkes“

Edwards war aufgrund der Heiligen Schrift davon überzeugt, dass Gott eine Erweckung als Antwort auf die Gebete seines Volkes senden würde. Deshalb bemühte er sich um die Förderung einer weit verbreiteten Gebetsbewegung. Obwohl Edwards publizierte und organisierte, war er nicht der Meinung, dass Gott es in die Hände von Menschen gelegt hätte, diese Gebetsbewegung zu leiten oder zu programmieren. Edwards erklärte: „Nach der Darstellung in der Prophezeiung ... wird sie sich auf diese Weise erfüllen: Erstens wird dem Volk Gottes viel Gebetsgeist gegeben werden, der es an vielen Orten veranlasst, eine ausdrückliche Übereinkunft zu treffen, um gemeinsam in außergewöhnlicher Weise zu Gott zu beten.“ Nicht die Menschen standen im Mittelpunkt des Prozesses, sondern Gott. Natürlich war es Gott, der ihnen zuerst den Gebetsgeist gab, sonst würde das Volk ihn nie besitzen.

„Die Bibel sagt, dass auf ‚außerordentliche Gebete‘ Erweckung folgen wird.“
 

Die Gebete würden außergewöhnlich sein, aber nur, weil Gott es so wollte. Edwards erklärte: „Es ist Gottes Wille, durch seine wunderbare Gnade, dass die Gebete seiner Heiligen ein großes und hauptsächliches Mittel sein sollen, um die Pläne des Reiches Christi in der Welt zu verwirklichen. Wenn Gott etwas sehr Großes für seine Gemeinde zu vollbringen hat, ist es sein Wille, dass dem außerordentliche Gebete seines Volkes vorausgehen.“[8] Mit anderen Worten: Die Bibel sagt, dass auf „außerordentliche Gebete“ Erweckung folgen wird. Deshalb sollten sich die Menschen versammeln und für die Erweckung beten.

Menschen beten

Edwards An Humble Attempt fand in den späten 1740er und 50er Jahren weder weite Verbreitung noch führte es zu einer weit verbreiteten Gebetsbewegung. Doch fast vierzig Jahre nach seiner Veröffentlichung (1784) schickte ein schottischer Pastor ein Exemplar von Edwards’ Buch an einige Baptistenführer in England, darunter Andrew Fuller, John Ryland und John Sutcliffe. Sie veröffentlichten das Buch neu und forderten die Gemeinden dazu auf, sich jeden ersten Montag im Monat zu treffen, um für Erweckung zu beten. Innerhalb weniger Jahre setzten diese Baptisten ihre Gebete für eine weltweite Erweckung in die Tat um, indem sie William Carey als Missionar nach Indien schickten und damit die moderne Missionsbewegung ins Leben riefen.

In Amerika veröffentlichte eine kleine Gruppe kongregationalistischer Pastoren, die von Edwards beeinflusst waren, An Humble Attempt im Jahr 1794 neu. Auch sie begannen, den Gebetsaufruf zu beherzigen. Geistliche aus Connecticut riefen zu einem vierteljährlichen Gebetskonzert für Erweckung auf. Eine Gruppe traf sich 1794 in Lebanon, Connecticut, und verpflichtete sich dazu, an jedem ersten Dienstag des Quartals zu beten. Diese Geistlichen verschickten auch Rundbriefe und gründeten ein Korrespondenzkomitee, um das Gebet um Erweckung zu fördern.[9] Im Oktober 1794 verpflichtete sich die Hartford North Association auf Anregung eines Briefes von Walter King aus Norwich, Connecticut, jeden zweiten Mittwoch zum Gebet zusammenzukommen. Sie schickten Briefe, in denen sie größere konfessionelle Einrichtungen aufforderten, dasselbe zu tun.[10] Im Juni 1795 verabschiedete die General Association of Connecticut eine Resolution über Gebetszeiten für Erweckung.[11] Insgesamt nahmen zwei Drittel der Kirchen in Connecticut das Gebetskonzert an. So verabschiedete die Tolland County Association im Oktober 1795 folgende Resolution: „Diese Vereinigung, die besorgt ist über den offensichtlichen Niedergang des Glaubens, erklärt sich einstimmig bereit, ab November nächsten Jahres jeden Monat am zweiten Dienstag zusammenzukommen, um besonders für die Ausgießung des Heiligen Geistes zu beten und andere Glaubensübungen durchzuführen.“[12]

Die Kongregationalisten in Neuengland waren nicht die einzigen Amerikaner, die sich in den 1790er Jahren zum Gebet versammelten. Ende 1794 verschickten baptistische Geistliche in Neuengland, darunter Isaac Backus und Stephen Gano, ein Rundschreiben, in dem sie Geistliche und Kirchen aller Konfessionen dazu aufforderten, für eine Erweckung zu beten. Sie bezogen sich unmittelbar auf den Titel von Edwards Buch, indem sie die Gläubigen dazu aufforderten, „die demütigen Bemühungen zu unterstützen, die das Ziel haben, das besondere Einvernehmen und die sichtbare Einheit des Volkes Gottes im außerordentlichen Gebet für die Wiederbelebung der Religion und die Ausbreitung des Reiches Christi auf Erden zu fördern“. Sie schlugen vor, den ersten Dienstag im Januar 1795 und danach einen Dienstag vierteljährlich dem Gebet zu widmen, „bis die gütige Vorsehung Gottes unsere Bemühungen zum Erblühen bringt und uns den Segen schenkt, um den wir beten“. Pastoren und Kirchen in ganz Amerika, darunter Methodisten, Presbyterianer, Baptisten und Kongregationalisten, begannen, sich zu treffen, um für Erweckung zu beten. Manche trafen sich vierteljährlich, manche monatlich, manche wöchentlich.

Gott antwortet

Auf diese vielen Gebetstreffen folgten in vielen Fällen Erweckungen. Echte, biblische, von Gott gesandte Erweckungen sind nach dem First Great Awakening nicht verschwunden. Um 1800 jubelte Isaac Backus: „Die religiösen Erweckungen in verschiedenen Teilen unseres Landes waren wunderbar.“ So folgte zum Beispiel auf die schnelle Ausbreitung der gemeinsamen Gebete in den Gemeinden in Connecticut in den 1790er Jahren eine bemerkenswerte Erweckung zwischen 1798 und 1800. Mitglieder wurden von ihren Sünden überführt, Gemeinden erlebten Gottes Gegenwart und Kraft auf außergewöhnliche Weise, und Hunderte von Neubekehrten kamen zur Gemeinde hinzu. Diese Geschichten müssen aufgearbeitet und neu erzählt werden. Für die Zwecke dieses Artikels reicht es jedoch aus, darauf hinzuweisen, dass die Erweckungen in diesen Ortsgemeinden in fast allen Fällen damit begannen, dass ihnen ein gemeinsames Gebet vorausging.

So berichtete Joseph Washburn, dass im Februar 1799 in Farmington eine Erweckung einsetzte, „durch die Bereitschaft, sich im Gebet um Gottes Gegenwart und eine Erweckung des Glaubens zu vereinen“. Sie kamen bald überein, sich „mindestens einmal alle vierzehn Tage ... zu treffen, um gemeinsam für eine Neubelebung des Glaubens zu beten“.[13] Reverend William F. Miller aus Windsor erlebte eine Erweckung, nachdem er erfolgreich eine wöchentliche Versammlung einberufen hatte, „die viele Menschen zusammenbrachte, um sich im Gebet zu Gott zu vereinen und um die kostbaren Segnungen seiner Gnade zu ersuchen.“[14] Reverend Ammi Robbins berichtete, dass im Januar 1799 in Norfolk eine Erweckung einsetzte, nachdem fünf Jahre lang vierteljährliche Gebetskonzerte stattgefunden hatten.[15] In vielen Erweckungsberichten, die im Connecticut Evangelical Magazine zu finden sind, ist inbrünstiges und gemeinsames Gebet um Erweckung ein gemeinsames Thema. In einem Artikel vom Januar 1802 wurden die Leser aufgefordert, weiterhin „Gebetskonzerte zu veranstalten“, da sie „der Kirche eines betenden Gottes sehr gut zu Gesicht stehen“ und „ein äußerst wichtiges Mittel sind, um das Reich des Erlösers voranzubringen“. Der Autor schrieb, dass die Wirksamkeit des gemeinsamen Gebets in Präsident Edwards’ An Humble Attempt „in ein klares Licht gerückt wird“ und erklärte: „Jeder Christ sollte dieses Buch lesen.“[16]

Anwendung für heute

Unabhängig davon, ob man Edwards’ An Humble Attempt gelesen hat oder nicht, hoffe ich, dass dieser Artikel dazu ermutigt, seine Hauptaussage zu Herzen zu nehmen. Gott kann auf außergewöhnliche Weise wirken und er tut es auch. Die Bibel lehrt, dass Gott als Antwort auf inbrünstiges, gemeinsames Gebet wirkt.

„Wir sollten regelmäßig zusammenkommen und dafür beten, dass Gott sein Volk erweckt und die Verlorenen rettet.“
 

Deshalb sollten wir regelmäßig zusammenkommen und dafür beten, dass Gott sein Volk erweckt und die Verlorenen rettet. Die Geschichte der echten Erweckung in Amerika sollte uns ermutigen, weiterhin (oder wieder) Gebetstreffen in unseren Gemeinden abzuhalten. Sie sollte auch Pastoren dazu ermutigen, sich zum gemeinsamen Gebet zu versammeln. Wir wissen, dass wir keine Erweckung produzieren können. Aber wir sollten ebenso überzeugt sein, dass Gott sie senden kann.

Wie wäre es, wenn wir uns also einmal im Monat oder einmal im Quartal mit einigen anderen Pastoren in der Gegend treffen würden, um Gott darum zu bitten, dass er Erweckung schickt? Er hat diese Art von Gebeten schon früher erhört.


1Calvin Colton, History and Character of American Revivals of Religion, London: F. Westley and A.H. Davis, 1832, S. 5-6.

2Jonathan Edwards, A History of the Work of Redemption, in: John F. Wilson (Hrsg.), The Works of Jonathan Edwards, Bd. 9, New Haven: Yale University Press, 1989, S. 359.

3Ebd., S. 458 f.

4Jonathan Edwards, Apocalyptic Writings, in: Stephen J. Stein (Hrsg.), The Works of Jonathan Edwards, Bd. 5, New Haven: Yale University Press, 1977, S. 395–396.383.

5Edwards schreibt: „Ich habe oft gedacht, dass es eine sehr wünschenswerte Sache wäre und sehr wahrscheinlich einen großen Segen mit sich bringen würde, wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, dass das gesamte Volk Gottes in Amerika, das diesem Werk wohlgesinnt ist, einen Tag des Fastens und des Gebets zu Gott hält, an dem wir uns alle an demselben Tag vereinen, um uns vor Gott zu demütigen wegen unserer vergangenen, lange anhaltenden Lauheit und Nutzlosigkeit … und dass er dieses Werk fortsetzen und weiterführen und seinen Geist noch reichlicher und umfassender ausgießen möge; und besonders, dass er seinen Geist über die Diener ausgießen möge; und dass er die Himmel beugen und herabsteigen möge (vgl. 2Sam 22,10; Ps 18,9) und sein herrliches Reich auf der Erde aufrichten möge. … Eine beträchtliche Anzahl von Dienern könnte zusammenkommen und den Vorschlag ausarbeiten, einen bestimmten Tag festzulegen. … Auf diese Weise könnte sich vielleicht in gewissem Maße ein allgemeines Klagen und Flehen des Volkes Gottes erfüllen, wie es in Sacharja 12 für die Endzeit vorausgesagt wird, mit dem der herrliche Tag der Gemeinde eingeleitet werden soll.“ (Edwards, The Great Awakening, in: Clarence C. Goen, The Works of Jonathan Edwards, Bd. 4, New Haven: Yale University Press, 2009, S. 520 f.)

6Edwards, Apocalyptic Writings, S. 308–437.

7Edwards, The Great Awakening, S. 350.353.

8Edwards, The Great Awakening, S. 516.

9Joseph A. Conforti, Jonathan Edwards, Religious Tradition and American Culture, Chapel Hill: The University of North Carolina Press, 1995, S. 16.

10David W. Kling, Field of Divine Wonders: The New Divinity and Village Revivals in Northwestern Connecticut, 1792-1822, University Park (PA): Pennsylvania State University Press, 1993, S. 62–64.

11——, The Records of the General Association of Ye Colony of Connecticut: Begun June 20th, 1738; Ending June 19th, 1799, Hartford (CT): Case, Lockwood & Brainard, 1888, S. 163.

12Charles Roy Keller, The Second Great Awakening in Connecticut, New Haven (CT): Yale University Press, 1942, S. 50.

13Connecticut Evangelical Magazine 1 (April 1801), S. 379 f.

14Connecticut Evangelical Magazine 1 (Januar 1801), S. 269.

15Connecticut Evangelical Magazine 1 (Februar 1801), S. 312.

16Connecticut Evangelical Magazine 2 (Januar 1802), S. 269.