Die geleugnete Natur

Rezension von Ron Kubsch
9. Oktober 2024 — 15 Min Lesedauer

Endlich ist Abigail Favales Fundamentalkritik der Gendertheorie in einer deutschsprachigen Ausgabe erschienen. Anders als der Titel Die geleugnete Natur vermuten lässt, handelt es sich bei diesem Essay nicht nur um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema „Gender“, sondern um den Entwurf einer eigenständigen Theorie. Im Originaltitel The Genesis of Gender: A Christian Theory (2022) tritt das Anliegen, eine christliche Sichtweise zu entwickeln, deutlicher hervor.

Wer ist Abigail Favale?

Die Autorin ist verheiratet, Mutter von vier Kindern und lehrt heute an der renommierten katholischen Universität Notre Dame (Indiana, USA). Das ist die private Hochschule, an der der bekannte Religionsphilosoph Alvin Plantinga viele Jahre unterrichtete.

Dass Abigail Favale einmal bei Notre Dame landet, war keineswegs zu erwarten. Zuvor hatte sie sich mit verschiedenen Wellen des Feminismus identifiziert und auf den Gebieten Gender Studies und feministische Literaturkritik an der Universität Saint Andrews (Schottland) geforscht und gelehrt. Sie las eifrig Simone de Beauvoir, studierte unter Luce Irigaray und verehrte Judith Butler. Allmählich erspürte sie allerdings Widersprüche und artikulierte hellsichtige Zweifel. So bekennt sie: „Ich schaute von einer Seite auf, die ich gerade schrieb, oder von einem Text, den ich gerade las, und mir ging es durch den Kopf: Ich denke mir das alles doch nur aus“ (S. 30). Als sie eines Tages die Gelegenheit hatte, die große Prophetin des Gender-Paradigmas, Judith Butler, persönlich zu hören, kritzelte sie viele ihrer erlesenen Worte in ein Notizbuch und dachte im selben Augenblick: „Ich habe keine Ahnung, wovon sie spricht“ (S. 77). Das Unbehagen verdichtete sich zunehmend und irgendwann hatte Abigail Favale den Eindruck, ihren Studenten mit der Gendertheorie „geistiges Gift eingeträufelt zu haben“ (S. 18). Als sie einen geschätzten Professor dazu um Rat fragte, bestätigte dieser ihre Gewissensbisse mit unverblümten Worten: „Kennen Sie jenen Vers bei Matthäus? Der, in dem es heißt, wer einen von diesen Kleinen zum Straucheln bringe, für den sei es besser, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er in der Tiefe des Meeres versenkt würde? Ich habe schon immer gedacht, dass es für uns Hochschullehrer eine gute Idee wäre, uns das auf den Arm tätowieren zu lassen“ (S. 18).

Eine katholische Theorie

Für evangelische Leser gibt es noch etwas Bemerkenswertes zu berichten: Abigail Favale verbrachte ihre Kindheit und Jugend in protestantischen Kreisen und sagt von sich, dass sie einst eine evangelikale Feministin war. Erst 2014 konvertierte sie zum Katholizismus. Sie hat ihre Odyssee ausführlich in dem Buch Into the Deep: An Unlikely Catholic Conversion (2018) geschildert. Dieser Konfessionswechsel ist einerseits eine zutiefst persönliche Angelegenheit, die hier nicht weiter beleuchtet werden muss. Andererseits sollte dem Leser bewusst sein, dass Favale ihre eigene Theorie dezidiert katholisch vorträgt. Das ist auf verschiedenen Ebenen erkennbar. Durch das gesamte Buch hinweg ist etwa ihre argumentative Abhängigkeit von Johannes Paul II., Edith Stein und Hildegard von Bingen greifbar. Vereinzelt grenzt sie sich direkt vom protestantischen Glauben ab, etwa beim Sakramentsverständnis oder bei der Deutung der concupiscentia (dt. Begierde). Zu Letzterer sagt sie: „Nach Auffassung der Protestanten ist das Begehren von Grund auf sündhaft und die menschliche Natur nach dem Sündenfall gilt ihnen als völlig verdorben. Die katholische Vision ist optimistischer: Unsere Natur ist beeinträchtigt, aber nicht völlig verkommen“ (S. 55–56).

Defizite in der evangelikalen Verkündigung, die sie erlebt hat, könnten dazu beigetragen haben, dass sie sich zunächst dem Feminismus und den Gendertheorien und später der katholischen Kirche zugewandt hat. Im protestantischen Raum ist so etwas wie eine „Theologie des Leibes“, die gut begründet hervorhebt, dass Männer und Frauen über intrinsische Charakteristika verfügen, die einander ergänzen, häufig eine Leerstelle. Wer die Zielgerichtetheit alles Seins einschließlich der menschlichen Organe betont, setzt sich potentiell dem Vorwurf aus, Anhänger des Aristotelismus zu sein. In der evangelikalen Literatur wird daher lieber von unterschiedlichen Rollen gesprochen, die Männer und Frauen zu erfüllen haben, fast so, als hätten sie jeweils eine andere Rolle auf der Bühne des Lebens zu spielen. Mannsein oder Frausein ist dann eine reine Frage des Glaubensgehorsams, die sich der argumentativen Durchdringung entzieht. Leider schwächt das die Widerstandskraft gegenüber zeitgeistlichen Fehlentwicklungen und lädt dazu ein, sich für alternative Lesarten der menschlichen Natur zu öffnen oder gar eine anti-essentialistische Haltung einzunehmen.

Die katholische Formulierung der Gendertheorie ruft bei mir insofern zwiespältige Reaktionen hervor. Einerseits erkenne ich fast neidisch an, dass die Betonung der Leiblichkeit eminent wichtig ist und in der Verkündigung und Katechese eindringlich herausgestellt werden muss. Junge Christen sollten fest davon überzeugt sein, dass unsere Körper „keine ästhetischen Objekte“ sind, sondern „Weisen des Dazugehörens“. „Sie gemahnen uns ständig daran“, dass wir abhängige Wesen sind, „dass die Fantasie der Selbstschöpfung nicht mehr als ein Fiebertraum ist, das Symptom einer tieferliegenden Krankheit“ (S. 248). Es hat fatale psychologische Konsequenzen, wenn der Leib gnostisch als etwas gelesen wird, was nicht wesensmäßig zu uns gehört, wie Favale am Beispiel der heute üblichen „Gender-Bestätigung“ zeigt:

„Das Modell der Gender-Bestätigung kann keine echte Selbstakzeptanz bieten, wenn der Körper nicht mehr als Teil des Ich betrachtet wird. Sich für eine lebenslange Medikalisierung zu entscheiden, um die Illusion einer gemischtgeschlechtlichen Identität aufrechtzuerhalten, ist nicht ‚sein, wer man wirklich ist‘. Das Bestätigungsmodell ist Selbstverleugnung im Gewand der Selbstakzeptanz. Weil unser Leib wir selbst sind, ist das, was ‚bestätigt‘ wird, nämlich am Ende nur der Selbsthass des betreffenden Patienten.“ (S. 214–215)

Andererseits scheint es mir, dass Favale die Sündhaftigkeit des Menschen unterschätzt. Aus biblischer Sicht ist Sünde ein tiefes Strukturmerkmal, das die Ganzheit des Menschen betrifft und verdirbt. Die Folgen des Sündenfalls haben den gesamten Menschen korrumpiert und ihm eine Dynamik verliehen, die ihn in die Gottesferne treibt. Der Mensch ist gerade kein ruhender Block, er ist viel „ärger dann ein Stein und Block, denn er widerstrebt dem Wort und Willen Gottes bis Gott ihn vom Tode der Sünden erwacht, erleuchtet und erneuert“ (BSLK, 1992, S. 896). Wir richten unser Herz von Jugend an auf das Böse (vgl. 1Mose 6,5; 1Mose 8,21). „Da ist kein Gerechter, auch nicht einer, da ist keiner, der Verstand hätte, da ist keiner, der Gott suchte“ (Röm 3,10–11). Insofern wird uns auch ein christlicher Ansatz nicht aus dem Reich der Sünde in das Reich der Gnade führen können (vgl. S. 58). Wenn Gott nicht selbst eingreift und Menschen durch seinen Geist Sündenerkenntnis, Vergebung und neues Leben schenkt, bleiben wir in der Gottesferne verloren. Ein göttliches Winken kann uns nicht retten (vgl. S. 58).

Das Genesis-Paradigma versus Gender-Paradigma

Wie das bei einer Abhandlung zur Gendertheorie zu erwarten ist, arbeitet sich Professorin Favale an den Ideen von Wegbereitern ab. Sie interagiert mit Simone de Beauvoir, Michel Foucault, Judith Butler, Luce Irigaray, Kimberlé Crenshaw oder Margaret Sanger. Im Ton bleibt sie dabei fair und gibt gelegentlich zu, dass diese Protagonisten Antworten auf konkrete Nöte gesucht haben und Teilaspekte ihrer Einsichten durchaus dienlich sind. Ihre Widerlegungen trägt sie gestochen scharf vor. Sie deckt etwa plausibel auf, dass die Bewegung des Feminismus maßgeblich dazu beigetragen hat, dass wir heute nicht mehr wissen, was eine Frau ist. Sie schreibt: „Es ist ein trauriges Paradox, dass eine Bewegung, die sich für die Rechte der Frauen einsetzt, uns in diese seltsame Lage gebracht hat, in der die Definition von ‚Frau‘ heftig umstritten ist“ (S. 38, vgl. S. 36–38). Um zu erklären, was eine Frau ist, wird meist zirkulär argumentiert. So definieren wir heute das Geschlecht danach, ob man sich als Frau „fühlt“. „Aber“, fragt Favale, „was bedeutet es, sich wie eine Frau zu fühlen, wenn eine Frau zu sein so definiert ist, dass man sich wie eine Frau fühlt?“ (S. 164).

„Was bedeutet es, sich wie eine Frau zu fühlen, wenn eine Frau zu sein so definiert ist, dass man sich wie eine Frau fühlt?“
 

Wir haben hier nicht genug Platz, um weitere Stoßrichtungen und Details zu erörtern, so erörterungswürdig sie auch sind (hochinteressant sind unter anderem die Ausführungen über den Einfluss moderner Technologien). Stattdessen möchte ich versuchen, ihre Grundunterscheidung zwischen Gender-Paradigma und Genesis-Paradigma kompakt vorzustellen.

Favale kontrastiert den biblischen Schöpfungsbericht mit der babylonischen Schöpfungserzählung Enuma Elisch, die so etwas wie eine Stellvertreterfunktion für alle heidnischen Erzählungen über den Ursprung und das Wesen des Menschen ausfüllt. Es gelingt ihr, die Vorzüge der biblischen Schöpfungserzählung gegenüber der babylonischen herauszuarbeiten. Im Blick auf unser Thema ist der Hauptpunkt:

„Die Kosmologie der Genesis verleiht den Menschen eine exklusive Form von Würde, die auf ihrer Aufgabe als Ebenbild des Schöpfers gründet. Außerdem erkennt die Genesis die Dualität der Menschheit an, männlich und weiblich; dieser Unterschied ist Teil der Güte der Schöpfung, und beide Geschlechter haben vollständig teil an der göttlichen Ebenbildlichkeit und dem Auftrag zur Bestellung der Erde.“ (S. 42)

Weiter schreibt sie (S. 43):

„In der Genesis gibt es genau genommen zwei Kosmologien. Das erste Kapitel beschreibt die Schöpfung aus einem transzendenten Blickwinkel, aus der Sicht Gottes, als ob der Erzähler über dem Universum schweben und von dort aus der Ferne beobachten würde, wie die Dinge schlagartig zu existieren beginnen. Das zweite Kapitel der Genesis zoomt hinein in die Schöpfung, ganz weit hinein. Der Erzähler nimmt uns mit hinunter in den Staub des Garten Eden, in ein irdisches Paradies, das am Kopf von vier Flüssen liegt. Gott wird in leibhafter Form dargestellt: Er geht durch einen Garten mit üppiger Natur und spricht dort mit den ersten Menschen. Während die erste Kosmologie die Transzendenz Gottes betont, zeigt uns die zweite seine Intimität. Diese beiden Berichte zusammengenommen geben zu erkennen, dass der transzendente Gott aus Genesis 1 auch ein zutiefst persönlicher Gott ist, der Gemeinschaft mit seinen Geschöpfen wünscht. Die beiden Kosmologien der Genesis unterscheiden sich deutlich voneinander, aber statt sich zu widersprechen, ergänzen sie sich; sie beschreiben dasselbe Ereignis aus zwei Blickwinkeln und enthüllen so ein wenig mehr von Gottes großem Mysterium und den ersten Details unserer Entstehung.“

Beide sich ergänzende Kosmologien aus dem 1. Mosebuch schildern eine besondere Beziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit: „Die göttliche Sprache erschafft die Wirklichkeit, die anschließend von der menschlichen Sprache identifiziert wird“ (S. 48). Die Sprache des Menschen erschafft keine Wirklichkeit, sondern erkennt und benennt die Bedeutung jener Wirklichkeit, die objektiv bereits von Gott erschaffen wurde. „Die Wirklichkeit existiert also schon, bevor wir sie benennen, und unsere Sprache ist wahr und bedeutungsvoll, wenn sie dem entspricht, was exisitiert“ (S. 49).

Diese Auffassung von Sprache steht nach Favale in scharfem Kontrast zu der Sichtweise des Gender-Paradigmas. Die meisten Gendertheorien gehen nämlich davon aus, dass das, „was wir als ‚Realität‘ betrachten, eine sprachliche und soziale Konstruktion ist. Unser Gebrauch der Wörter ‚Frau‘ und ‚Mann‘ erzeugt laut dieser Theorie die Illusion, dass das Geschlecht binär sei“ (S. 49). Diese konstruktivistische Sicht der Sprache ist „eine völlige Umkehrung der in der Genesis geschilderten Entsprechungs-Beziehung“. Denn in der „göttlich offenbarten Ursprungsgeschichte projiziert unsere Sprache keine Bedeutung auf die Dinge. Vielmehr ist die Bedeutung von Natur aus in dem vorhanden, was Gott erschafft. Außerdem ist die Bedeutung für uns verständlich, und die Sprache, ein Zeichen von Gottes Bild in uns, ermöglicht es den Menschen, diese innewohnende Bedeutung zu verkünden“ (S. 49).

Die Gendertheorien arbeiten also mit einem konstruktivistischen und postmodernen Verständnis von Sprache und Wahrheit. Die menschliche Sprache bildet Wirklichkeit nicht ab, sondern erschafft sie. „Im Ursprungsmythos der Postmoderne ist der Schöpfergott die Gesellschaft“ (S. 250). Die Sprachpraxis wird damit zur politischen Angelegenheit: „Deshalb wird so viel Wert auf die Überwachung der Sprache gelegt: Neue Pronomen werden geschaffen und ihre Verwendung vorgeschrieben, die Definitionen von Begriffen wie Gender werden dauernd geändert, ständig werden neue Kategorien und Unterkategorien von Identität und Begehren verbreitet. Es handelt sich um einen konzertierten Versuch, durch Machtausübung ein neues Drehbuch gesellschaftlicher Wahrheiten durchzusetzen“ (S. 83).

„Christen sind dazu berufen, eine Sprachkultur zu pflegen, die sich an die von Gott geschaffene Wirklichkeit bindet.“
 

In letzter Analyse ist das Gender-Paradigma für Favale gottlos und diabolisch (vgl. S. 90, 252–253). Es ist ein Konzept, das die Menschen hinters Licht führt, „indem es ihnen die verführerische Lüge einflüstert, dass wir unsere eigenen Götter sein können, unsere eigenen Schöpfer, dass der Körper keine ihm innewohnende Bedeutung oder Würde hat, dass wir unserem Gegebensein entkommen und Zuflucht in einem speziell auf uns zugeschnittenen Selbst finden können“ (S. 252). Christen sind dazu berufen, diese diabolischen Verdrehungen aufzudecken und eine Sprachkultur zu pflegen, die sich an die von Gott geschaffene Wirklichkeit bindet. Ein christlicher Ansatz hört auf die Stimme Gottes und die Stimme der Natur (vgl. S. 58).

Gibt es Schwachstellen?

Das Buch kann nicht in allem punkten. Einige Dinge, die mich nicht ganz überzeugen, will ich zumindest andeuten.

So darf man zurückfragen, ob Favale die Wahrheit des Genesis-Paradigmas einfach voraussetzt und von diesem Fundament ausgehend ihre christliche Gendertheorie formuliert. Menschen mit anderen Grundannahmen wird das nicht überzeugen. Doch sollte diese Anfrage nicht überbewertet werden. Favale hebt zu Recht hervor, dass sämtliche Weltanschauungen ihre Ideen von bestimmten Prämissen her entwickeln. Und alles in allem wird ersichtlich, dass das Genesis-Paradigma viel besser zur empirischen Welt passt als das Gender-Paradigma.

Es wäre freilich möglich, den jeweiligen Grundannahmen größere Aufmerksamkeit zu schenken und die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit der christlichen Sichtweise klarer herauszustellen. Vielleicht hängt die Zurückhaltung auf diesem Gebiet mit dem Schriftverständnis von Favale zusammen. Sie übernimmt Erträge aus der historisch-kritischen Forschung und begreift den biblischen Schöpfungsbericht als „wahren Mythos“, der zur Zeit des babylonischen Exils entstand (vgl. S. 40 u. 58). Akzeptiert man dieses Ergebnis, verliert die Genesis etwas von ihrer Erklärungsweite sowie Erklärungskraft. Außerdem führt dies zu gewissen Spannungen im Blick auf den gesamtbiblischen Befund. Denn die Mosebücher deuten an, dass zumindest Teile von Mose selbst stammen (vgl. 5Mose 31,9) und der Pentateuch wird anderswo im Alten Testament als „Buch des Mose“ (vgl. Neh 8,1; 2Chr 25,3) bezeichnet. Das Neue Testament bestätigt diese Herkunft vielfach (vgl. z.B. Mk 12,26; Joh 1,45; 5,46; Apg 3,22; Röm 9,15). Jesus selbst spricht in Johannes 5,46 sogar davon, dass Mose über ihn geschrieben hat.

Meines Erachtens überzieht Favale auch, wenn sie sich auf die Abbildfunktion der menschlichen Sprache festlegt. Sie hat völlig recht, wenn sie erklärt, dass nur Gott mit seinen Worten Dinge aus dem Nichts schaffen kann (ex nihilo). Das allerdings bedeutet nicht, dass die Funktion der menschlichen Sprache auf Nachahmung beschränkt bleibt. Wir Menschen können und sollen durchaus in Abhängigkeit vom Schöpfer und seiner Schöpfung selbst kreativ tätig werden. So dürfen wir durch Kunstfertigkeiten und Sprache – wenn man so will – eigene Welten schaffen (zum Beispiel, indem wir einen Roman schreiben). Aber auch diese Kleinigkeit gefährdet Favales Gendertheorie nicht.

Fazit

Die Autorin stellt die These auf, dass der biblische Schöpfungsbericht und die gängigen Gendertheorien zwei unvereinbare Weisen sind, das menschliche Personsein zu verstehen. Sie ist davon überzeugt, dass uns Menschen eine „Natur“ mitgegeben ist und dass Mann und Frau einander ergänzen. Der heute verbreiteten Vorstellung einer rein sozial konstruierten Identität oder Geschlechtlichkeit erteilt sie eine klare Absage. Die sich daraus ergebenden Fragen diskutiert Favale kenntnisreich und verständlich, wobei sie die sachlichen Ausführungen gewinnbringend und manchmal humorvoll mit ihrer eigenen Geschichte verknüpft. Praktischen und seelsorgerlichen Fragen, die mit Wucht auf uns hereinbrechen, stellt sie sich ehrlich.

Insgesamt hat Abigail Favale ein überaus lesenswertes und wichtiges Buch geschrieben. Sie räumt – um Hanna-Barbara Gerl-Fallkovitz aus ihrem Vorwort zu zitieren – „die postmodernen Altäre ab“ (S. 11). Und sie macht Mut, Themen, die heute die Welt bewegen, eigenständig christlich in den Blick zu nehmen. Möge Die geleugnete Natur viele Christen dazu anregen, konsequenter von Gottes Offenbarung her zu denken und zu leben.

Buch

Abigail Favale, Die geleugnete Natur: Warum die Gender-Theorie in die Irre führt, Freiburg, Basel u. Wien: Herder, 271 Seiten, 26 EUR.