Frucht, die nach Gott schmeckt

Rezension von Eowyn Stoddard
5. November 2024 — 7 Min Lesedauer
Die zweite E21-Frauenkonferenz wird vom 29.–30.11.2024 in Schwäbisch Gmünd stattfinden. Nicola Vollkommer wird die Hauptrednerin sein. Die Konferenz ist leider bereits ausgebucht. Informationen zum Livestream gibt es hier.

Das Buch Frucht, die nach Gott schmeckt von Nicola Vollkommer ist eine tiefgründige, aber leicht zugängliche Studie der Frucht des Heiligen Geistes. Grundlage für die Ausführungen ist Galater 5,22–23. Die Autorin und Rednerin begibt sich auf eine Reise durch die neun Eigenschaften der Frucht des Geistes: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit. Durch eine gute Mischung von persönlichen Erzählungen und biblischen Einsichten schafft sie es, den Lesern nicht nur eine theologische Abhandlung weiterzugeben, sondern auch geistliches Wachstum nahezulegen.

Wie einzelne Christen leben, ist nicht unwichtig, denn oft ist unser Leben „das einzige Evangelium, das andere Menschen hören und sehen werden“ (S. 11). Wie Christen gemeinsam in der Gemeinde miteinander umgehen, ist ebenso von großer Bedeutung, denn Jesus sagte: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“  (Mt 7,16). Auch nichtgläubige Menschen sollen Gottes Charakter an uns Christen erkennen, vor allem in unserer Gemeinschaft. „Wir als christliche Gemeinschaft sind gemeinsam die Erfolgsformel“ (S. 10).

Ein gezielter Ansatz

Vollkommers Ansatz, ihr gesamtes Buch auf zwei Bibelverse zu fokussieren, erlaubt es, in die Tiefe zu gehen. Den meisten Christen ist Galater 5,22-23 sicherlich sehr bekannt. Die Frucht des Geistes ist oft Thema der Kinderstunde oder von Predigtreihen. Jedes Kapitel des Buches ist jedoch einer der neun „Früchte“ gewidmet. Leider fehlt hier in der Formulierung am Anfang des Buches eine Auseinandersetzung mit der Wortwahl des Apostels, der die Frucht des Geistes als eine singuläre Frucht betrachtet. Der Unterschied zwischen „Frucht“ und „Früchten“ wird im Buch nicht immer deutlich und diese zwei Formulierungen werden abwechselnd benutzt. Hilfreicher wäre es zu sagen, dass die Frucht des Geistes neun unterschiedliche Aspekte oder Eigenschaften beinhaltet und dass der Geist all diese Eigenschaften verwoben in unserem Leben wachsen lässt. Die verschiedenen Eigenschaften wachsen zusammen als Ausdruck von Jesu Wesen in uns. Nichtsdestotrotz ist es möglich, diese Eigenschaften einzeln unter die Lupe zu nehmen, und das hat Vollkommer in guter Weise getan.

Theologie und Praxis im Gleichgewicht

Eine der größten Stärken des Buches ist das Gleichgewicht zwischen tiefen theologischen Einsichten und praktischen Anwendungen. Vollkommer erklärt den Lesern nicht nur, was die Bibel über jede Frucht sagt, sondern zeigt ihnen auch, wie diese im Leben kultiviert werden kann. Ihr Schreibstil wirkt nie belehrend oder zu akademisch. Stattdessen spricht sie wie eine Mentorin oder Freundin, die sowohl mitfühlende als auch herausfordernde Ratschläge gibt.

„Vollkommer erklärt den Lesern nicht nur, was die Bibel über jede Frucht sagt, sondern zeigt ihnen auch, wie diese im Leben kultiviert werden kann.“
 

Zum Beispiel gibt sich Vollkommer im Kapitel über die Liebe nicht mit Plattitüden oder einem vagen Aufruf zu „mehr Liebe“ zufrieden. Sie geht auf das biblische Verständnis von Liebe als opferbereit, geduldig und selbstlos sein ein. Anhand persönlicher Erfahrungen und biblischer Beispiele macht sie deutlich, dass die Liebe, wie sie in der Bibel beschrieben wird, fordernd ist. Dennoch beruhigt sie die Leser, indem sie betont, dass diese Liebe durch die Kraft des Heiligen Geistes ermöglicht wird. Sie ergänzt diese Einsichten mit praktischen Tipps, wie man Liebe in schwierigen Situationen leben kann – sei es durch Freundlichkeit gegenüber Menschen, die uns verletzt haben, oder durch das Zurückstellen eigener Wünsche zum Wohl anderer.

Ähnlich hinterfragt sie im Kapitel über Enthaltsamkeit die moderne Tendenz, sie nur als Ausdruck von Willenskraft zu betrachten. Stattdessen betont sie, dass wahre Selbstbeherrschung eine Frucht des Geistes ist, etwas, das wächst, wenn wir unseren Willen Gott unterstellen. Diese Neuformulierung ist nicht nur biblisch fundiert, sondern auch sehr befreiend für Leser, die sich vielleicht frustriert fühlen, weil sie ihre eigenen Impulse nicht kontrollieren können. Vollkommer vermittelt die Hoffnung, dass durch das Vertrauen auf den Geist Selbstbeherrschung zu einem natürlichen Ergebnis eines in Christus verwurzelten Lebens wird.

Das Evangelium im Zentrum

Ein herausragendes Merkmal des Buches ist Vollkommers Offenheit zu ihrem eigenen Scheitern auf dem Weg der Heiligung. Sie zeigt, dass die Heiligung in diesem Wachstumsprozess der Geistesfrucht das gesamte Leben andauert. Erfrischend ehrlich beschreibt sie ihre eigenen Kämpfe. Mehrmals fühlte ich mich als Leserin auch von meiner eigenen Schuld getroffen, aber sie führte mich immer wieder zu der Wahrheit des Evangeliums zurück.

Die gesamte Erkundung der Geistesfrucht ist evangeliumszentriert. Obwohl das Buch hauptsächlich auf Galater 5,22–23 fokussiert ist, zeigt sich die Gute Nachricht als übergeordnetes Thema auf verschiedene Weise:

  • Die Rolle des Heiligen Geistes: Vollkommer verweist häufig auf die verändernde Kraft des Heiligen Geistes, die zentral für die Botschaft des Evangeliums ist. Wir können uns selbst nicht verändern und brauchen sein Wirken in uns. Die Entfaltung der Frucht des Geistes wird als das Ergebnis eines Lebens dargestellt, das Jesu Wesen widerspiegelt.
  • Erlösung und Veränderung: Das Buch vermittelt die Botschaft, dass die persönliche Transformation durch das Wachsen der Frucht des Geistes und durch die Erlösung in Jesus Christus kommt. Vollkommer hebt hervor, dass Liebe, Geduld, Freundlichkeit und andere Aspekte der Frucht nicht bloß eine moralische „To-do-Liste“ sind, sondern das Zeugnis eines Herzens, das mit Jesus verbunden ist.
  • Christus als Vorbild: In allen Kapiteln verweist Vollkommer oft auf Jesus als die vollkommene Verkörperung dessen, wie die Frucht des Geistes aussehen sollte. „Paulus’ Früchte des Geistes sind nichts anderes als eine Beschreibung der Lebensweise von Jesus selbst“ (S. 202). Je mehr Jesus in uns wächst, desto mehr geistliche Frucht werden wir tragen.
  • Die Bedeutung der Gnade: Vollkommer betont die Notwendigkeit der Gnade im Prozess des geistlichen Wachstums. Die Botschaft des Evangeliums von der Gnade – dass Menschen nicht durch ihre eigenen Werke, sondern durch den Glauben an Christus gerettet werden, ist das Fundament. Die Autorin ermutigt die Leser, dass sie nicht durch ihre eigene Kraft nach Perfektion streben sollen, sondern auf Gottes Gnade angewiesen sind, der das gute Werk, das er in ihnen angefangen hat, vollenden wird.

Das Evangelium bildet den Unterbau der gesamten Betrachtung über die Frucht. Es ist sowohl der Ausgangspunkt für das christliche Leben als auch die Quelle der Kraft für das Wachstum.

Gedankenanstöße und praktische Herausforderungen

Jedes Kapitel endet mit einem Abschnitt, der mit „Zum Nachdenken“ überschrieben ist. Darin finden sich anregende Fragen und praktische Herausforderungen. Diese Abschnitte sollen den Lesern helfen, das Gelernte zu reflektieren und es in ihrem Leben anzuwenden. Die Fragen laden zu tiefer persönlicher Reflexion ein und ermutigen, Bereiche des Lebens für Wachstum zu öffnen. Zum Beispiel endet das Kapitel über Freundlichkeit mit Fragen wie: „Wie reagiere ich, wenn mich jemand verletzt? Vergelte ich, oder zeige ich Freundlichkeit?“ Diese herzensorientierten Fragen fordern die Leser heraus, dem Geist Raum zu geben.

Ein Buch für alle Christen

Frucht, die nach Gott schmeckt ist ein Buch, das für Christen in jeder Phase ihrer geistlichen Reise hilfreich sein kann. Egal, ob jemand neu im Glauben oder schon seit Jahrzehnten mit Jesus Christus unterwegs ist: Vollkommers Einsichten vermitteln frische Perspektiven und lebensnahe Weisheiten. Damit ist es an sich kein „Frauenbuch“. Es würde sich auch als Zusatzmaterial für ein Bibelstudium eignen, in dem das Thema der Geistesfrucht vorkommt. Auch beim Betrachten des Galaterbriefes könnte es als Basis für weitere Diskussionen innerhalb von Kleingruppen genutzt werden.

„Das Evangelium bildet den Unterbau der gesamten Betrachtung über die Frucht. Es ist sowohl der Ausgangspunkt für das christliche Leben als auch die Quelle der Kraft für das Wachstum.“
 

Letztendlich ist Frucht, die nach Gott schmeckt ein Buch, das die Leser dazu inspiriert, nicht nur über die Eigenschaften der Frucht des Geistes nachzudenken, sondern ebenfalls danach zu streben, diese in ihrem Leben mit Hilfe des Heiligen Geistes zu kultivieren. Bei mir hat es den Wunsch geweckt, ein Leben zu führen, das erkennbar den Charakter Jesu widerspiegelt. Das Buch ist auf jeden Fall empfehlenswert!

Buch

Nicola Vollkommer, Frucht, die nach Gott schmeckt: Wie Gott in unserem Leben sichtbar wird, Holzgerlingen: SCM Hänssler, 2024, 208 Seiten, 18,00 Euro, eBook 12,99 Euro.