Ein historischer Tag: Der Tod von C.S. Lewis

Artikel von Harry Lee Poe
22. November 2024 — 10 Min Lesedauer

Herzinfarkt

Am Sonntag, den 14. Juli 1963, ging es Lewis nicht gut genug, um zur Kirche zu gehen, sodass ihn Walter Hooper bei seiner Ankunft in The Kilns (dem Haus von C.S. Lewis, Anm.d.Red.) zu Hause vorfand. Lewis, der sich für seine Korrespondenz nicht mehr auf seinen Bruder Warnie verlassen konnte und sich seiner schwindenden Kräfte bewusst war, fragte Hooper, ob dieser bereit wäre, eine Anstellung als sein Privatsekretär in Erwägung zu ziehen. Nachdem die beiden die Sache diskutiert hatten, erklärte sich Hooper bereit, seine Stelle an der University of Kentucky zum Ende des Herbstsemesters zu kündigen und nach England zurückzukehren, um Lewis zu unterstützen. Außerdem würde er Lewis während des Sommers behilflich sein.[1] Am nächsten Tag, einem Montag, dem 15. Juli, wurde Lewis um 17 Uhr in das Acland Nursing Home (ein privates Pflegeheim und Krankenhaus, Anm.d.Red.) eingeliefert, wo er schlagartig einen Herzinfarkt erlitt und ins Koma fiel.[2]

Da das Krankenhaus Kay und Austin Farrer über den Zustand von Lewis in Kenntnis setzte, musste Lewis, als Warnie weg war, die beiden als seine Notfallkontakte angegeben haben. Die Farrers informierten Douglas Gresham und Walter Hooper. Am Dienstagabend, dem 16. Juli, empfing Lewis von Pfarrer Michael Watts der Church of St. Mary Magdalen die letzte Ölung. Danach wachte er auf und bat um eine Tasse Tee.[3]

Zwei Tage lang schien es Lewis besser zu gehen, dann aber fiel er in seine „schwarze Phase“, wie er sie später nannte. Eine Woche lang litt er unter Albträumen, Halluzinationen und einer allgemeinen Orientierungslosigkeit, in der es jedoch immer wieder auch Momente der Klarheit gab.[4] Mehrere seiner ältesten und liebsten Freunde – darunter Tolkien, Alastair Fowler, Douglas und David Gresham, James Dundas-Grant, John Walsh, Maureen Moore Blake und George Sayer – besuchten ihn im Acland. Als Dundas-Grant Lewis besuchte, schlug er ihm vor, ein Buch über das Gebet zu schreiben, worauf Lewis augenzwinkernd mit einem „Vielleicht“ antwortete.[5] Dundas-Grant wusste nicht, dass Lewis gerade Du fragst mich, wie ich bete: Briefe an Malcolm fertiggestellt hatte, was darauf hindeutet, wie weit sich die verbliebenen Inklings (ein literarischer Diskussionskreis an der Universität Oxford unter Lewis’ Leitung, Anm.d.Red.) davon entfernt hatten, ein Schreibclub zu sein, in dem man über die Projekte der anderen Mitglieder Bescheid wusste.

Ab dem 17. Juli übernahm Hooper die Bearbeitung von Lewis’ Korrespondenz. Jeden Tag holte er die Post von Lewis’ Haus ab und brachte sie zum Acland, wo Lewis, wenn er bei klarem Bewusstsein war, Hooper seine Briefe diktierte. Auf Lewis’ Geheiß schrieb Hooper Briefe an Lewis’ Freunde, die noch nichts von seiner Krankenhauseinweisung wussten, darunter auch Roger Lancelyn Green. Lewis bat Hooper, Green einen Brief zu schreiben und ihm zu erklären, dass Hooper (genau wie Green) ein Sammler von „Lewisiana“ (Schriften von Lewis, Anm.d.Red.) sei und herauszufinden, ob sie „Konkurrenten oder Kollaborateure“ seien.[6] Die Zeit würde zeigen, dass sie am besten als Koautoren miteinander zusammenarbeiteten, da sie gemeinsam die erste richtige Lewis-Biografie – C. S. Lewis: A Biography (1974) – veröffentlichten.

Lewis war sich seines Zustands wahrscheinlich besser als alle anderen bewusst. Er wusste, dass er früher oder später sterben würde. Da er der Universität Cambridge und dem Magdalene College, seiner neunjährigen akademischen Heimat, keine Last aufbürden wollte, verschickte er –wahrscheinlich sobald er nach Hause zurückgekehrt war – einen Brief, in dem er von seinem Lehrstuhl zurücktrat.[7] Am 12. und 13. August schrieb Lewis an Jock Burnet, den Verwalter des Magdalene College, damit Hooper seine Sachen packen und aus dem College entfernen konnte. Er entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten, die er verursachte, erklärte aber, dass seine „Situation ziemlich aussichtslos“ sei.[8] Das College sollte die eigenen Möbel zurückfordern und die von Lewis verkaufen. Außerdem bat er darum, das Gemälde seines Großvaters Hamilton an die St. Mark’s Church in Dundela, Belfast, zu schicken, wo er als Rektor gewirkt hatte. Es hängt heute noch im Gemeindehaus.

Gegen Ende August wollte Tolkien Lewis wiedersehen. Tolkiens ältester Sohn, Pfarrer John Tolkien, brachte seinen Vater zu Lewis. Pfarrer John erinnerte sich später: „Wir fuhren zu The Kilns für etwa eine Stunde und verbrachten dort eine sehr schöne Zeit miteinander. Ich erinnere mich, dass wir uns sehr viel über den Morte d’Arthur unterhielten und darüber, ob Bäume sterben.“[9]

Bereit zum Sterben

Walter Hooper war wieder in den Vereinigten Staaten, als Lewis ihm am 3. September schrieb, dass in The Kilns alles in Ordnung sei. Da Warnie sich immer noch in Irland aufhielt und schlecht benahm, schlief Fred Paxford, der Gärtner und Handwerker, im Haus, für den Fall, dass Lewis in der Nacht Probleme hatte. [10] Nach langem Händeringen und der Sorge um seine drohende Armut bot Lewis Hooper fünf Pfund pro Woche an, wenn er in der ersten Januarwoche 1964 zurückkehren würde, um seine Arbeit als Lewis’ Sekretär wieder aufzunehmen, nachdem Warnie sich als so unzuverlässig erwiesen hatte.[11]

Anderen gegenüber bezeichnete Lewis sich regelmäßig als „erloschenen Vulkan“.[12] Auf die Frage, wie er seinen Ruhestand bewältige, fiel ihm ein anderer Satz ein, der ihm sehr gefiel. Er sagte, er müsse nie wieder A.L. Rowse lesen, der über Shakespeares Sonette schreibt, sondern könne sich stattdessen erneut der Ilias widmen.[13] Auf einer tieferen Ebene hatte er vielen etwas darüber zu sagen, wie nahe er dem Tod gekommen war. Die Krankenschwestern dachten alle, er sei ein letztes Mal ins Acland gekommen, um zu sterben. Vielen seiner Korrespondenten sagte er, es sei schade, dass er so leicht an die Pforten des Himmels gekommen war und dann doch nicht hineingelassen wurde. Jetzt würde er alles noch einmal durchmachen müssen.[14]

„‚Ich habe alles getan, was ich tun wollte, und bin bereit zu gehen.‘“
 

Anfang Oktober kehrte Warnie schließlich nach Hause zurück.[15] Seine Rückkehr bedeutete eine gewisse Erleichterung von dem, was Lewis als den schlimmsten Teil seines Krankseins betrachtete. Die Zeitungen hatten über Lewis’ Krankheit und seine Pensionierung berichtet und er fühlte sich verpflichtet, auf die vielen Beileidsbekundungen, mit denen er überschwemmt wurde, zu antworten.[16] Trotz allem blieb er gutgelaunt und dankbar. Seine Freunde, die ihn besuchten, schätzte er besonders.[17]

Genauso wie Lewis vorzeitig über Joys (Lewis’ Ehefrau, Anm.d.Red.) bevorstehenden Tod getrauert hatte, hatte Warnie dasselbe auf seine Weise in Bezug auf Lewis’ unvermeidlichen Tod durchgemacht. Und doch hatte er sich aufgerafft und war zurückgekehrt. Seine Gesellschaft wird Lewis sehr viel bedeutet haben. Über diese letzten gemeinsamen Tage schrieb Warnie:

„Joy hatte uns verlassen und wieder einmal – wie in den ersten Tagen – konnten wir uns nur einander zuwenden, um Trost zu finden. Der Kreis hatte sich geschlossen: Wieder einmal saßen wir zusammen in dem kleinen Zimmer am Ende des Hauses und verdrängten in unseren Gesprächen das allgegenwärtige Wissen, dass die Ferien zu Ende gingen und dass ein neuer Zeitabschnitt voller unbekannter Möglichkeiten auf uns beide wartete. Lewis sah dieser Aussicht tapfer und gelassen entgegen. „Ich habe alles getan, was ich tun wollte, und bin bereit zu gehen“, sagte er eines Abends zu mir.“[18]

Das Ende

Warnie war immer berühmt gewesen für die Zubereitung des Tees an Donnerstagabenden, als sich die Inklings vor langer Zeit versammelt hatten. Außerdem brachte er Lewis (und seinen Gästen, wenn er welche hatte) den spätabendlichen Tee, während sie sich unterhielten. Selbst wenn Mrs. Miller im Haus war, brachte Warnie Lewis in jenem letzten Herbst an den Nachmittagen seinen Tee. Er beschrieb diese letzte Zeit in den Memoiren, die er verfasste (ein grundlegender biographischer Text, der, zusammen mit Überrascht von Freude, die Grundlage für Roger Lancelyn Greens und Walter Hoopers Biografie über Lewis bildete). Darin heißt es:

„Der 22. November 1963, ein Freitag, begann wie die anderen Tage auch: Es gab Frühstück, dann Briefe und das Kreuzworträtsel. Nach dem Mittagessen schlief er in seinem Sessel ein: Ich schlug ihm vor, sich ins Bett zu legen, was er auch tat. Um vier Uhr brachte ich ihm den Tee und fand ihn schläfrig, aber zufrieden. Diese wenigen Worte waren unsere letzten, denn um halb sechs hörte ich einen Aufprall und lief ins Zimmer, wo ich ihn bewusstlos am Fußende seines Bettes fand. Etwa drei oder vier Minuten später hörte er auf zu atmen.“[19]

Es war eine Woche vor seinem 65. Geburtstag.

Der Tod von C.S. Lewis ereignete sich an dem Tag, an dem John F. Kennedy in Dallas erschossen wurde – alle Nachrichtenmedien konzentrierten sich auf dieses Ereignis, das nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern die ganze Welt in Atem hielt. Die Nachricht von Lewis’ Tod hatte sich noch nicht herumgesprochen. Douglas rief Walter Hooper in den Vereinigten Staaten an und Hooper benachrichtigte diejenigen, von denen er wusste, dass sie informiert werden sollten.[20]

David Gresham war nach seinem Studienabschluss in London nach New York gegangen, um an der Mesivta Rabbi Chaim Berlin Talmudhochschule zu studieren, sodass er nicht an der Beerdigung teilnehmen konnte.[21] Warnie war zu betrunken und so von Trauer überwältigt, dass er der Trauerfeier nicht beiwohnen konnte.

Die Beerdigung fand am 26. November in der Holy Trinity Church statt, der Pfarrkirche, die Lewis und Warnie seit ihrem Umzug in The Kilns besucht hatten. Es war nur eine kleine Gruppe anwesend. Ronald Head, der Vikar von Holy Trinity, leitete den Gottesdienst. Austin Farrer las die Lektion (wir können also davon ausgehen, dass Kay bei ihm war).[22] Zu der kleinen Gruppe von Trauernden gehörten Owen Barfield, Cecil Harwood, Ronald Tolkien, Colin Hardie, Robert „Humphrey“ Havard, James Dundas-Grant, John Lawlor, Peter Bayley, Peter Bide, Molly und Len Miller, Fred Paxford, Maureen (Lady Dunbar), Leonard Blake und Douglas Gresham.[23]

Ein großer Grabstein bedeckt in ganzer Länge und Breite das Grab von C.S. Lewis. Als Flora Hamilton Lewis (Lewis’ Mutter, Anm.d.Red.) 1908 starb, entstammte der Spruch auf ihrem Shakespeare-Kalender an diesem Tag aus König Lear:

„Dulden muss der Mensch Sein Scheiden aus der Welt,
wie seine Ankunft; Reif sein ist alles.“[24]

Auf Lewis’ Grabstein ließ Warnie folgende Grabinschrift eingravieren:

IN LIEBENDER ERINNERUNG AN
MEINEN BRUDER CLIVE STAPLES LEWIS
GEBOREN IN BELFAST AM 29. NOVEMBER 1898
GESTORBEN IN DIESER PFARRGEMEINDE
22. NOVEMBER 1963
DULDEN MUSS DER MENSCH SEIN SCHEIDEN AUS DER WELT.


1Vgl. C.S. Lewis, In: Walter Hooper (Hrsg.), The Collected Letters of C.S. Lewis, Bd. 3, New York: HarperSanFrancisco, 2004, S. 1441.

2Vgl. ebd., S. 1442.

3Vgl. ebd.

4Vgl. ebd., S. 1443, 1446.

5James Dundas-Grant, „From an ‚Outsider‘“, in: James T. Como (Hrsg.), Remembering C.S. Lewis: Recollections of Those Who Knew Him, 3. Aufl., San Francisco: Ignatius, 2005, S. 372.

6C.S. Lewis, Letters, S. 1444–1445.

7Hooper erwähnte die Niederlegung des Lehrstuhls in einem Brief, den er im Auftrag von Lewis am 10. August an Mary Willis Shelburne schickte. Vgl. ebd., S. 1447–1448.

8Ebd., S. 1449–1450.

9Roger Lancelyn Green und Walter Hooper, C.S. Lewis: A Biography, London: HarperCollins, 2002, S. 430 (zitiert von Colin Duriez, The Oxford Inklings, Oxford: Lion Hudson, 2015, S. 203).

10Vgl. C.S. Lewis, Letters, S. 1454.

11Vgl. ebd., S. 1457, 1462, 1470.

12Ebd., S. 1449, 1452, 1454, 1456, 1467.

13Vgl. ebd., S. 1468, 1475, 1478.

14Vgl. ebd., S. 1452, 1453, 1456, 1461, 1474.

15Vgl. ebd., S. 1461.

16Vgl. ebd., S. 1455-1456, 1463-1464, 1470, 1473.

17Vgl. ebd., S. 1481.

18C.S. Lewis, In: W. H. Lewis (Hrsg.), Letters of C.S. Lewis, London: Bles, 1966, S. 24.

19Ebd., S. 25. Green und Hooper stellen eine ausführlichere Version von Major Lewis’ Bericht bereit, die wahrscheinlich einem früheren Manuskript entstammt, das von dem Verleger seiner Memoiren gekürzt wurde. Vgl. Green and Hooper, C.S. Lewis, S. 307.

20Vgl. Douglas Gresham, Lenten Lands, S. 157.

21Vgl. C.S. Lewis, Letters, S. 1465.

22Vgl. Alister McGrath, C.S. Lewis: A Life, Carol Stream, IL: Tyndale, 2013, S. 359. McGrath gibt für diese Information keine Quelle an.

23Vgl. Sayer, Jack, S. 251; Peter Bayley, „From Master to Colleague,“ in Como (Hrsg.), Remembering C.S. Lewis, S. 176; Dundas-Grant, „From an ‚Outsider‘“, S. 373–374; Gresham, Lenten Lands, S. 158.

24Vgl. W.H. Lewis (Hrsg.), „Memoirs of the Lewis Family, 1850–1930“, Bd. 3, Marion E. Wade Center Collection, Wheaton College, S. 140–141, 199.