Daily Doctrine

Rezension von Thomas Richter
20. März 2025 — 8 Min Lesedauer

Schon oft habe ich mir vorgenommen, die Biblische Dogmatik von Wayne Grudem in einem Jahr durchzulesen. Immer wieder scheiterte ich jedoch an der Dicke des Buches. Um ehrlich zu sein fehlte mir oft auch einfach die Disziplin, mir die Inhalte gut einzuteilen und am Ball zu bleiben. Dabei liebe ich es, mich in systematischer Theologie zu vertiefen!

Vielleicht kennst du solche Gedanken. Du würdest dich gern in systematischer Theologie weiterbilden, aber dir fehlt einfach die Zeit und die Disziplin, neben all deinen Aufgaben noch dogmatische Wälzer zu lesen. Das Buch Daily Doctrine: A One-Year Guide to Systematic Theology von Pastor Kevin DeYoung setzt genau hier an. Der Autor selbst bezeichnet das Schreiben des Buches als einen Traum, der endlich in Erfüllung geht. Das Buch ist 2024 im Crossway-Verlag erschienen und führt in einem Jahr durch die großen Themenbereiche der Systematischen Theologie.

DeYoung erklärt auf den ersten Seiten, dass man das Buch auf drei Arten nutzen kann: Erstens könne man Daily Doctrine ganz klassisch als Andachtsbuch lesen. Die Artikel sind jeweils nur etwa 500 Wörter lang. Das Buch ist so aufgeteilt, dass man pro Woche fünf Artikel hat, also insgesamt 260 Artikel. Mir gefällt diese Einteilung, denn so kann man das Buch zum Beispiel am Wochenende ruhen lassen oder ein oder zwei Artikel nachholen, die man vielleicht in einer stressigen Woche nicht geschafft hat. Zum Zweiten kann man das Buch als Nachschlagewerk nutzen, um sich einen ersten kurzen Überblick über ein Thema zu verschaffen. Das Inhaltsverzeichnis ist dabei sehr nützlich, da es einen guten Überblick über die großen Themenbereiche und deren Unterkategorien gibt. Außerdem gibt es am Ende des Buches ein ausführliches Stichwort- und Bibelstellenregister, das für die Recherche sehr praktisch ist. Drittens kann man Daily Doctrine als eine Art Mini-Dogmatik einfach am Stück lesen.

Die acht Themenbereiche

Das Buch ist in acht große Themenbereiche der systematischen Theologie gegliedert. Den Auftakt bilden die „Prolegomena“, welche Vorüberlegungen und die Lehre von der Heiligen Schrift beinhalten. Danach widmet sich DeYoung der „Eigentlichen Theologie“, die sich mit dem Wesen Gottes und seinen Werken beschäftigt. Daran schließt sich die „Anthropologie“ an – der Mensch als erschaffen und gefallen. Der vierte große Themenbereich umfasst die „Bundestheologie“ und zeigt, wie Gott mit seinen Geschöpfen in Beziehung steht. Die Themenbereiche fünf und sechs behandeln ein und dasselbe Thema, die „Christologie“. Im ersten Teil geht es um die Person Christi, im zweiten Teil um das Werk Christi. Anschließend wird der Themenkomplex „Soteriologie“, also die Erlösung in Jesus Christus, beleuchtet. Im siebten Teil steht die „Ekklesiologie“ – das Wesen, die Mission und die Ordnung der Kirche – im Mittelpunkt. Den Abschluss bildet die „Eschatologie“, die Lehre von den letzten Dingen.

Reformierte Theologie

Der Autor Kevin DeYoung ist Hauptpastor der Christ Covenant Church in Matthews, North Carolina, Vorstandsmitglied bei The Gospel Coalition und Assistenzprofessor für Systematische Theologie am Reformed Theological Seminary. Es ist daher nicht verwunderlich, dass er die Themen aus einer reformierten Perspektive betrachtet. So gibt er auch gleich zu Beginn des Buches zu, dass er nicht zu jedem Thema alle möglichen theologischen Ansichten, wie etwa römisch-katholisch, lutherisch, anglikanisch oder pfingstlerisch, untersucht hat. Sein theologisches Verständnis ist von den Bekenntnisschriften und Katechismen der reformierten Tradition sowie von reformierten Theologen wie Johannes Calvin (1509–1564), Francis Turretin (1623–1687), Charles Hodge (1797–1878), James Bannerman (1807–1868), William G.T. Sied (1820–1984), Herman Bavinck (1854–1921) und Louis Berkhof (1873–1957) geprägt. Sie werden auch immer wieder zitiert. Eine kurze und hilfreiche Übersicht sowie Erläuterung der einzelnen Bekenntnisse, Katechismen und Theologen finden sich ebenfalls am Ende des Buches. DeYoung hält mit seinen theologischen Ansichten nicht hinterm Berg, und so wird der ein oder andere Leser in bestimmten Artikeln durchaus anderer Meinung sein als der neunfache Familienvater. Ein Beispiel wäre sein Taufverständnis, denn als Pastor einer presbyterianischen Kirche praktiziert er die Kindertaufe. Doch trotz seiner klaren Haltung wirkt er gegenüber anderen Auffassungen nicht überheblich. Er ist auch der Meinung, dass sein Buch trotz seines theologischen Standpunkts für jeden Christen von Nutzen sein kann, denn schließlich will er in Daily Doctrine durch und durch biblisch sein. Das zeigt sich auch darin, dass er sich sehr oft auf die Bibel beruft und sich nicht auf seine eigenen Gedanken oder die anderer Theologen beschränkt.

Anliegen des Buches

DeYoung hat die Gabe, große theologische Themen auf wenige Zeilen herunterzubrechen und sie auf leicht verständliche Weise zu erklären. Der Pastor sagt über sich selbst:

„Ich glaube, meine Nische als Autor ist die Übersetzung – nicht von einer Sprache in eine andere, sondern von einem Register in ein anderes. Das heißt, ich glaube, ich kann der Kirche am besten dienen, indem ich die alten, toten Männer (und auch einige lebende) lese, ihre fachlichen Argumente und Terminologie verdaue, das Beste aus ihren Erkenntnissen nutze und dann klar und präzise für vielbeschäftigte Pastoren, Studenten, Leiter und Laien schreibe.“

Michael Riccardi, der Assistenzprofessor für Theologie am Master’s Seminary, schreibt in seiner Empfehlung zum Buch über DeYoung: „Er hat den Verstand eines Gelehrten und das Herz eines Pastors.“ Als aktiver Pastor, der nah an den Menschen ist, gelingt es ihm, scheinbar „trockene Theologie“ für Christen lebendig zu machen. Obwohl das Buch für eine Dogmatik recht dünn ist, bleibt es dennoch nicht an der Oberfläche. DeYoung nimmt sich mehrere Wochen Zeit, um über den oben genannten großen Themenbereichen zu kreisen. Dennoch darf man kein bahnbrechendes dogmatisches Werk erwarten. Diesen Anspruch erhebt der Autor auch nicht. Vielmehr handelt es sich um eine kurze Einführung in die systematische Theologie, die Christen den Einstieg in das jeweilige Thema erleichtern soll. Das große Ziel von Daily Doctrine beschreibt der Autor folgendermaßen: „Das übergeordnete Ziel bei all dem Lernen ist es, zu verstehen, was die Bibel lehrt, zu verteidigen, was die Bibel lehrt, und sich an dem Gott zu erfreuen, den die Bibel offenbart.“ Das ist auch mein Gebet für dich und mich bei der Lektüre dieses Buches: Dass es nicht nur unseren Verstand nährt, sondern auch unser Herz in Liebe und Anbetung zu unserem herrlichen Gott wachsen lässt.

Kritikpunkte?

Gibt es auch Kritikpunkte an dem Buch? Ich habe nur ein paar Kleinigkeiten. Zuerst ist das Buch leider nur in englischer Sprache erhältlich. Ich würde mich nicht unbedingt als Anfänger bezeichnen, was das Verstehen der englischen Sprache angeht, aber ich muss doch recht oft Wörter oder ganze Sätze nachschlagen, um den Sinn in seiner ganzen Tiefe zu erfassen. Da es sich bei diesem Buch nicht um einen Roman, sondern um eine theologische Abhandlung handelt, in der jeder Satz aufgrund der Kürze der Abschnitte sehr dicht ist, ist es auch wichtig, der Argumentation aufmerksam zu folgen. Außerdem kommen natürlich auch viele englische Wörter vor, die nicht unbedingt alltäglich sind.

Einen anderen Kritikpunkt greift auch Kevin DeYoung in seiner Einleitung auf: dass das Buch möglicherweise zu viel auf einmal will. „Der Pessimist könnte argumentieren, dass dieses Buch zu viel ist – zu tiefgründig, um eine Andacht zu sein, zu klein, um ein Nachschlagewerk zu sein, und zu stromlinienförmig, um eine systematische Theologie zu sein.“ DeYoung hält dagegen: „Ich höre dich. Aber der Optimist in mir glaubt, dass das Buch stärker sein kann, wenn es mehr als eine Sache gleichzeitig ist.“

Gesunde Kost in kleinen Häppchen

Hier möchte ich dem Autor zustimmen. Man darf, wie gesagt, keine extrem tiefgründige Dogmatik erwarten, aber da gibt es in meinen Augen schon einige. Die Stärke des Buches liegt wirklich darin, dem Christen gesunde Kost in kleinen Häppchen anzubieten, die dadurch auch besser verdaulich ist. Gerade der Ansatz eines Andachtsbuches überzeugt mich sehr und hilft ungemein, am Ball zu bleiben. Natürlich ist es kein klassisches Andachtsbuch, das mir etwa dabei hilft, geistliche Wahrheiten auf mein Leben anzuwenden, sondern der Fokus in diesem Buch liegt eher auf dem Verständnis der Wahrheit, was mich jedoch wiederum in Anbetung führen sollte. Besonders gut gefällt mir die Verwurzelung der Artikel in der Bibel sowie in der Kirchengeschichte. In meinen Augen ist Daily Doctrine sowohl für Christen geeignet, die sich zum ersten Mal mit systematischer Theologie beschäftigen, als auch für „alte Hasen“, die ihr theologisches Denken auffrischen und sich wichtige Lehren wieder ins Gedächtnis rufen wollen. Oft wissen wir zwar, was wir glauben, aber die biblische und historische Begründung ist uns verloren gegangen. Positiv hervorheben möchte ich auch die schöne und schlichte Gestaltung des Buches. Es hat einen festen Einband und ein Lesebändchen. Passend zum Buch ist Anfang des Jahres der Crossway-Podcast Docrine Matters mit Pastor Kevin DeYoung erschienen, der sich mit den Inhalten des Buches auseinandersetzt und begleitend zur Lektüre des Buches angehört werden kann.

Buch

Kevin DeYoung, Daily Doctrine: A One-Year Guide to Systematic Theology, Wheaton: Crossway, 2024, 432 Seiten, ca. 34 EUR.