Gibt es einen Gott?

Artikel von Sinclair B. Ferguson
25. August 2017 — 4 Min Lesedauer

Beantworte die Frage „Gibt es einen Gott?“ in ungefähr 775 Worten. Ist das vielleicht die einfachste Aufgabe, die Tabletalk (eine Zeitschrift, die von Ligonier herausgegeben wird, Anm. der Red.) jemals gestellt hat, weil die Antwort so klar ist? Es gibt keine konsequenten Atheisten, nur Menschen, die sich vor Gott verstecken. „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündigt das Werk seiner Hände“ (Ps 19,2). Gott ist das unausweichlich Gegebene, das hinter allem steht.

Oder ist es die schwerste Aufgabe, die Tabletalk jemals gestellt hat? Eine umfassende Antwort könnte eine ganze Bibliothek füllen. Was folgt sind demzufolge nur ein paar einzelne Fragmente eines Kapitels eines Buches in dieser Bibliothek.

1. Gott der Schöpfer ist die einzige Lösung für Gottfried Leibnizes und Martin Heideggers ultimatives Rätsel: „Wieso ist etwas da und nicht nichts?“

Ex nihilo nihil fit – „Von nichts kommt nichts.“ Uns sollte klar sein, dass nichts nicht ein „kleines Etwas“ ist; nicht ein „Etwas reduziert auf ein Minimum“. Nichts ist nichts. Nichts ist ein Konzept, das unmöglich vom Verstand erfasst werden kann, genau deshalb, weil nichts keine „Wirklichkeit“ hat. Um den berühmten Ausspruch von Rene Descartes Cogito, ergo sum (Ich denke, also bin ich) umzuformen, können wir sagen: Quod cogito, non cogito de nihilo (Weil ich bin, kann ich nichts nicht denken). Das führt uns zu einem weiteren Gedanken à la Descartes: Quod cogito, ergo non possibile Deus non est (Weil ich denke, deshalb ist es unmöglich, dass Gott nicht existiert). Das Universum, meine Existenz und meine Fähigkeit zu denken hängen alle von der Tatsache ab, dass das Leben nicht und unter keiner Möglichkeit aus dem nichts kam, sondern eines vernünftigen und vernunftgesteuerten Ursprungs bedarf. Das Gegenteil (Zeit + Zufall = Wirklichkeit) ist unmöglich. Weder Zeit noch Zufall sind Phänomene, die vor dem Universum existierten.

2. Dieser Gott muss der biblische Gott sein, aus zwei Gründen. Der erste ist, dass nur solch ein Gott auf adäquate Weise die physische Kohärenz des Universums, wie wir es kennen, begründet. Zweitens, seine Existenz ist die einzige kohärente Basis, ob wir das anerkennen oder nicht, für rationales Denken und Kommunikation. Daher muss der Ungläubige notwendigerweise von dem biblischen Fundament leihen, ja intellektuell stehlen, um kohärent zu denken und bei vollem Verstand zu leben. Demnach muss der säkulare Humanist, der dafür argumentiert, dass es keine ultimativen Wahrheiten gibt, von der biblischen Prämisse leihen, um irgendetwas als in sich richtig oder falsch zu bestimmen.

Ich habe kürzlich ein einfaches aber nervenaufreibendes Experiment versucht, indem ich meinen Verstand dazu geführt habe, die Annahme zu denken, dass es keinen Gott gibt, um dann die Implikationen zu erforschen. Ich rate stark von diesem Gedankenexperiment ab. Es führt unweigerlich an einen dunklen Ort, einen mentalen Abgrund, wo nichts im Leben Sinn ergibt, ja, wo es keine Möglichkeit auf einen letzten „Sinn“ gibt. Hier hat alles, das wir als gut, wahr, rational, verständlich und schön denken kein Fundament, das diesen Konzepten Kohärenz verleiht. Deshalb wird das Wesen von allem, was ich bin und erfahre, radikal dekonstruiert und von meinem Bewusstsein abgetrennt. Dieses „Bewusstsein“, das verständlich erscheint, ist dann eine ungerechtfertigte Erfindung meiner Vorstellungskraft. Und dann hört diese Vorstellungskraft auf, in sich irgendeine Kohärenz zu haben. Im Wesentlichen wird mein hochkomplexes Bewusstsein bloß zu einer unerklärbaren Serie komplizierter chemischer Reaktionen, die in keiner Rationalität gegründet sind und keine Bedeutung in sich tragen. „Bedeutung“ ist in einem wirklich transzendenten Sinn ein nichtssagendes Konzept.

Als Experimentierende auf dem Weg eines konsequenten Atheismus werden wir dann schließen müssen, dass es die „Atheisten“ sind, die zur Verzweiflung getrieben werden, indem sie sich den untragbaren Konsequenzen ihrer Prämissen hingeben. Solche Atheisten sind die einzig konsequenten Denker, die den Mut zu ihren Überzeugungen haben. Diejenigen, die vorgeben, Atheisten zu sein, werden entlarvt indem sie sich der Schlussfolgerung ihrer erklärten Überzeugungen verweigern und das unterdrücken, von dem sie tief drinnen wissen, dass es wahr ist (dass Gott da ist) – genau der Punkt, den Paulus in Römer 1,18-25 macht.

Der Romanautor Martin Amis berichtet von einer Frage, die der russische Schriftsteller Jewgeni Jewtuschenko an Sir Kingsley Amis stellte: „Ist es wahr, dass sie ein Atheist sind?“ Amis erwiderte: „Ja. Aber es geht noch weiter. Sehen sie, ich hasse ihn.“ Ihm war es nicht nur nicht möglich, die Existenz Gottes zu leugnen, sondern er bekannte sowohl seine Existenz, als auch seinen eigenen Hass auf ihn.

Amis ist nicht allein. Keiner von uns kann davon loskommen, das imago Dei (wenngleich entstellt) zu sein. Wir können daher niemals den Deus leugnen, dessen imago wir sind. Gott hat uns nämlich eine Last auferlegt: „Die Ewigkeit hat er ihnen ins Herz gelegt“ (Pred 3,11). Augustinus sagte, dass unsere Herzen ruhelos sind, bis wir unsere Ruhe in ihm finden.

Wieso stellt dann die Bibel niemals die Frage: „Gibt es einen Gott?“ Weil schon ihr erster Vers darauf antwortet: „Am Anfang schuf Gott… “.