Der Pharisäer in dir
Die Pharisäer sind die Schreckgespenster der Evangelikalen, und als solche ist es nur schwer vorstellbar, dass wir selbst Pharisäer sein könnten. Sie sind die anderen – schlechte Leute, gesetzlich, verurteilend, solche, die Christus verstoßen und eine falsche, heuchlerische Religion verteidigen. „Heuchler“ ist die wichtigste Beschreibung. Pharisäer handeln so, als seien sie gerecht; während sie „Mücken [der Sünde] aussieben“, „verschlucken sie Kamele“ des Bösen (Mt 23,24). Sie durchziehen das Land und das Meer, um einen einzigen Anhänger zu gewinnen, nur um ihn zu einem Sohn der Hölle zu machen, der doppelt so schlimm ist wie sie (Mt 23,15).
Ganz sicher, wir sind nicht sie.
In einem engen historischen Sinn sind Christen keine Pharisäer. Die pharisäische Religion hat Jesus als den Christus abgelehnt und das bedeutet, wer ihn als Gottes Sohn preist, ist nicht länger ein Pharisäer.
Doch ist das Wesen des Pharisäertums heute noch am Leben, sogar unter Menschen, die Jesu Göttlichkeit, die Gnadenlehren und die Dreieinigkeit bekennen? Wenn wir die lehrmäßigen und historischen Elemente des Pharisäertums nicht berücksichtigen, können die folgenden sechs Bereiche womöglich auch den Pharisäer in uns entlarven:
1. Unsere Gebete
Sind unsere Gebete, auch wenn sie explizit Gott verehren, implizit selbstverherrlichend (Lk 18,9–11; Mt 6,5)? Beten wir beispielsweise, um diejenigen zu beeindrucken, die uns hören?
2. Unsere Predigten
Ist unsere Predigt mehr darauf bedacht, die menschliche Tradition zu bewahren, als Gottes störendes Wort zu verkündigen (Mk 7,8)? Zum Beispiel: Gehen wir über das hinaus, was der Text uns bevollmächtigt zu sagen, um unsere eigene Gemeindetradition oder unsere persönlichen lehrmäßigen Vorlieben zu schützen?
3. Unsere Praxis
Scheitern wir daran, zu praktizieren, was wir predigen, sodass unsere Hörer besser dem folgen sollten, was wir sagen, aber nicht dem, was wir tun (Mt 23,3)? Könnte man uns etwa am Samstagabend genauso gut beobachten wie am Sonntagmorgen und beides zu seiner eigenen Erbauung nachahmen?
4. Unser Urteilen
Urteilen wir nach Erscheinungsbild statt nach Wahrheit und Charakter, um bloß nicht von denen außerhalb unseres „Stammes“ herausgefordert zu werden (Joh 8,52)? Zum Beispiel: Sind wir weniger bereit, das zu akzeptieren, was jemand predigt, der die falsche Kleidung trägt, mit dem falschen Akzent spricht oder von der falschen theologischen Ausbildungsstätte kommt?
5. Unsere Rückschlüsse
Lehnen wir Gottes übernatürliches Werk des Evangeliums ab, sodass wir blind für den offensichtlichen Schluss sind, dass er am Werk ist (Joh 9,34)? Sind wir nicht bereit, die Bekehrung von jemandem „von der falschen Straßenseite“ zu akzeptieren, auch wenn alles für ein Werk Gottes spricht?
6. Unsere Motive
Sind wir bereit, von sündigen Mitteln Gebrauch zu machen für etwas, von dem wir denken, es führe zu einem guten Ziel? Sind wir etwa bereit, einen manipulativen Politiker zu spielen – zu lügen, zu drohen, zu verhandeln, zu betrügen – um einen scheinbar geistlichen Sieg in unserer Denomination oder Gemeinde zu erringen?
Im Herzen lehnt das Pharisäertum Gottes inneres Wirken zugunsten des äußeren Scheins ab (Mt 23,25). Die Pharisäer weigerten sich, Jesus als den Christus anzubeten – mit einigen wunderbaren Ausnahmen (natürlich Paulus; vgl. auch Joh 3,1–15; 19,39–42), – da er ihrer Idee eines Messias nicht entsprach und ihre religiöse Macht bedrohte (Mt 12,1–14).
Letzten Endes sind die Pharisäer sogar so weit gegangen, Mord zu unterstützen, um ihre eigenen Wünsche zu erreichen. Möge Gott uns auf den Herrn Jesus ausrichten und möge er uns helfen, das Werk des Geistes in unserem Leben anzunehmen.