Christuszentrierte Freundschaft

Artikel von Christine Hoover
21. April 2018 — 6 Min Lesedauer

Freundschaft ist wesentlich für unser Wachstum und Ausharren als Christen, aber Freundschaft ist die Art von Beziehung, über die wir selten etwas in der Kirche lernen. Vielleicht steht Freundschaft selten zur Diskussion, weil wir annehmen, dass sie sich natürlich und glücklich entwickeln sollte, während brüderliche und schwesterliche Liebe viel übernatürliche Geduld und praktische Fertigkeiten benötigt. In der Abwesenheit biblischer Gedanken und Lehre tendieren wir zu einem verzerrten und oft selbstorientierten Verständnis dessen, was Freundschaft sein sollte. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht nur ein tiefes Verständnis biblischer Freundschaft haben und anderen vermitteln, sondern dass wir auch sicherstellen, dass unsere Freundschaften auf Christus ausgerichtet sind.

Was ist christliche Freundschaft?

Wir haben natürlich jeden Tag mit nichtchristlichen Freunden zu tun, aber wir müssen zunächst die Gesundheit unserer christlichen Freundschaften bedenken, d.h. die Beziehungen, die das Gebot Jesu erfüllen „einander zu lieben“ auf solche Weise, „dass jedermann erkennt, dass ihr meine Jünger seid“ (Joh 13,35). Das betrifft unsere Freundschaften innerhalb der Kirche. Wie sollten wir also christliche Freundschaft definieren?

Ein Verständnis christlicher Freundschaft beginnt bei Gott selbst. Die erste Freundschaft in der Schöpfung fing an, als Gott der Menschheit seine Hand reichte. Am Anfang suchte er die Gesellschaft derer, die er geschaffen hatte. Von Ewigkeit her hat der dreieinige Gott vollkommene Freundschaft im Rahmen der Gottheit genossen. Er brauchte unsere Freundschaft nicht, aber er wollte, dass die geschaffenen Träger seines Ebenbilds an dieser Gemeinschaft Anteil haben, also schuf er den Mann und die Frau und wandelte mit ihnen als mit Freunden. Adam und Eva, wie wir nur allzu gut wissen, zerstörten diese Freundschaft durch Sünde, aber Gott antwortete, indem er uns erneut Freundschaft anbot in Jesus Christus. Jesus sagte: „Größere Liebe hat niemand als die, dass einer sein Leben lässt für seine Freunde“ (Joh 15,13). Und er ließ sein Leben, damit die Feindschaft, die unsere Intimität mit Gott störte, ausgelöscht und diese Intimität wiederhergestellt werden könnte. Nun haben wir erneut Gemeinschaft mit Gott, wenn unser Glauben auf Christus allein ruht.

Wieso müssen wir die Heilsgeschichte kennen, um christliche Freundschaft zu definieren? Weil Gottes Initiative und Erweis von Freundschaft die Grundlage von brüderlicher und schwesterlicher Liebe bildet: „Wir lieben ihn, weil er uns zuerst geliebt hat“ (1Joh 4,19). Ohne dieses Wissen, oder manchmal sogar dessen ungeachtet, tauschen wir Gottes Liebe für die Liebe von Menschen ein und erwarten von ihnen, was nur Gott geben kann – bedingungslose Liebe, allwissende Intimität, vollkommene Fürsorge und Sicherheit.

So viele unserer Freundschaftsprobleme entstehen, weil wir glauben, dass Menschen so reagieren sollten, wie Gott es tut, oder wir nehmen an, dass Gott so auf uns reagiert, wie es unvollkommene Menschen tun. Wenn wir versuchen, unsere Sicherheit und unseren Wert allein in menschlicher Freundschaft zu finden, werden wir zu Götzenanbetern: „Denn mein Volk hat eine zweifache Sünde begangen: Mich, die Quelle des lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um sich Zisternen zu graben, löchrige Zisternen, die kein Wasser halten!“ (Jer 2,13).

Ein Weg, wie wir wissen können, dass unsere Freundschaften auf Christus ausgerichtet sind, ist, wenn wir beständig die Freundschaft Gottes genießen. Wenn wir seine tägliche Gemeinschaft erfahren, erfahren wir auch, dass seine Fähigkeit uns zu lieben, zu kennen und für uns zu sorgen grenzenlos und fehlerfrei ist, und dann können menschliche Freundschaften auf ihrer zweiten, angemessenen Stufe genossen werden, weil wir sie nicht mit einer Last beladen, die sie niemals tragen können.

Demnach umfasst biblische, christliche Freundschaft, dass wir uns an dem sicheren, festen Anker Christi festbinden und während wir an ihm festhalten, geben und empfangen wir die Gabe der Freundschaft mit anderen, wie er uns Möglichkeiten dazu gibt. Das Ziel ist, Gott gemeinsam mit anderen Christen zu genießen und, während wir durch das Leben gehen, unsere Freunde zu schärfen und uns von ihn schärfen zu lassen.

Die Gabe der Freundschaft geben und empfangen

Wenn wir an ihm festhalten und auf ihn für die ultimative Freundschaft schauen, können wir Liebe an andere weitergeben indem wir nachahmen, wie er sich uns zuerst hingegeben hat. Biblische, christliche Freundschaft beginnt nicht nur bei Gott und wird für uns von Christus vorgemacht, sondern sie hat auch ihr Ziel in ihm. Gott ist das Ziel unserer Liebe für andere.

Ihn als Ziel unserer Liebe und Anbetung festzuhalten ist der einzige Weg, wie wir Freundschaft geben können, ohne ständig eine Gegenleistung zu erwarten oder zu hohe Erwartungen an andere zu stellen. Eine christuszentrierte Freundschaft wird von Freundschaft nicht mehr erwarten, als was Gott vorhat, durch sie zu bewirken. Mit anderen Worten, wir dürfen von unvollkommenen Menschen keine Vollkommenheit erwarten, noch nach einer idealen Version christlicher Gemeinschaft suchen, die uns auf dieser Erde immer versagt bleiben wird. Christuszentrierte Freunde erinnern sich, dass die Gabe menschlicher Freundschaft, wenngleich von einem vollkommenen Geber, zu uns in Gestalt unvollkommener Menschen kommt, die uns enttäuschen und verletzen werden, so wie wir sie.

Wenn wir ein unerreichbares Ideal verlangen bei dem, was wir denken, wie Freundschaft zu sein hat, werden wir selbstzentriert. Bewusst oder unbewusst fangen wir an, Fragen zu stellen wie: Wer dient mir? Wie gibt mir die Kirche Gemeinschaft? Welche Gefühle erzeugen andere bei mir? Wer lädt mich ein? Was kann ich aus der Beziehung gewinnen? Dieser Fokus steht im Gegensatz zu Christi Vorbild, der kam, um zu dienen und nicht, um sich dienen zu lassen.

Christuszentrierte Freundschaft hat das Ziel, anderen zu dienen und sich zu fragen, wie Gott uns im Leben unserer Freunde gebrauchen will bzw. wie er sie in unserem Leben gebrauchen will. Wir dienen anderen mehr als uns selbst, weil wir das Wort Jesu glauben, dass es seliger ist, zu geben, als zu nehmen. Wir vertrauen auch, dass Initiative zu ergreifen sowie einander zu lieben und zu dienen Freundschaft anregt, aber wir erwarten oder verlangen keine reziproke Antwort.

Worauf weist meine Freundschaft?

Schließlich bedenkt christuszentrierte Freundschaft immer, wie wir unsere Freunde auf Christus hinweisen können statt auf uns selbst. Johannes der Täufer sagte zu einer Zeit, als viele seinen Dienst hervorheben und ihn zu einem Konkurrenten Jesu machen wollten, deutlich: „Nicht ich bin der Christus“ (Joh 3,28). Stattdessen freute er sich an Christus als dem Bräutigam und sich selbst als Freund desselben.

Wir tun gut daran, richtig über unseren Platz in einer Freundschaft zu denken: Wir sind nicht der Christus. Bilden wir uns ein, eine Art Retter für unsere Freunde zu sein, Menschen, die immer das Richtige sagen oder die Antwort zu jedem Problem haben? Hoffen wir, geachtet, geehrt zu werden, die Kontrolle zu haben oder durch die Freundschaft auf irgendeine Weise bestätigt zu werden? Wenn wir uns selbst an die Stelle von Christus setzen, entstellen und zerstören wir schließlich die Freundschaft. Wir sind nicht der Christus, aber wir kennen den Christus und unser Ziel in einer christuszentrierten Freundschaft muss immer sein, unsere Freunde beständig auf diesen perfekten Freund als ihre wahre Hoffnung hinzuweisen.

Reflektiere deine Freundschaften

Es ist richtig und gut, immer wieder über unsere Freundschaften nachzudenken, Gott zu erlauben, unsere Herzen zu erforschen, und zu schmecken und zu sehen, dass er wirklich im Zentrum unserer Freundschaften steht. Genießen wir  täglich die Freundschaft Gottes? Wollen wir dienen statt bedient zu werden? Packen wir das Geschenk der Freundschaft mit anderen so aus, wie er es gibt – durch unvollkommene Menschen? Und weisen wir unsere Freunde auf die Hoffnung hin, die in Christus gefunden wird? Wenn ja, dann wird unser engster Freund gesegnet und geehrt werden, unsere Freunde ähneln mehr als alles andere einer Familie und wir sind wirklich reich.