Predige das Wort!

Artikel von Jon Payne
4. Mai 2018 — 5 Min Lesedauer

In den Tischgesprächen, einer Sammlung informeller theologischer Konversationen an Martin Luthers Esstisch, gab der deutsche Reformator einem jungen Prediger folgenden Ratschlag: „Wenn ihr wollt predigen, so redet mit Gott und sprecht: Lieber Herrgott, ich will dir zu Ehren predigen, ich will von dir reden, dich loben, deinen Namen preisen, ob ichs wohl nicht kann so gut machen, als ich wohl sollt.“

Dieses einfache Gebet gibt uns einen Einblick in Luthers Theologie der Predigt. Aber was wichtiger ist, es unterstreicht für Pastoren in jedem Zeitalter, dass treues Predigen über Gott, zur Ehre Gottes und in völliger Abhängigkeit von Gott geschehen muss.

Erstens, der Inhalt unserer Predigt muss sich um das Wesen und die Werke Gottes drehen (2Kor 4,5–6). Die Predigten von heute können oft oberflächlich, therapeutisch und menschenzentriert sein. Sie ermangeln häufig theologischer Substanz und Gewicht. Persönliche Geschichten und amüsante Anekdoten verdrängen die Predigt, und Gott wird zu einem Nachsatz. Das Evangelium, das große Thema der Heiligen Schrift, bleibt im besten Fall vage.

Biblisches Predigen macht dagegen immer und unverwechselbar den dreieinigen Gott und seine erstaunlichen Werke der Schöpfung, Vorsehung und Erlösung zur Hauptsache. Gott ist das zentrale Thema der Bibel und sollte deshalb auch der Hauptfokus unserer Predigt sein. Wieso ist die Pfingstpredigt von Petrus zum Beispiel so kraftvoll und einprägsam (Apg 2,14–41)? Wieso drang es den Hörern mit geistgewirkter Überführung durchs Herz? Aus dem Grund, weil Petrus die Aufmerksamkeit der Menschen durch seine Predigt mutig und geschickt auf den allmächtigen Gott, sein Wort und die Erfüllung seiner Erlösungsabsichten in Christus richtete. Ferner kommunizierte der Apostel im Licht von Gottes mächtigen Taten des Gerichts und des Heils deutlich die Notwendigkeit für Sünder, von ihren rebellischen Wegen umzukehren und Christus für die Vergebung der Sünden zu empfangen.

Der Apostel Paulus ermahnte Timotheus (und damit alle Diener des Wortes): „Verkündige das Wort“ (2Tim 4,2). Wenn Prediger dieses biblische Mandat treu ausüben, wird ihre Predigt voll von Gott sein – und nichts wird die Herzen der Gemeinde mehr zum Glauben und zum Gehorsam anregen als eine wöchentliche Schau Gottes in der Verkündigung seines lebensverändernden Wortes.

Zweitens, das höchste Ziel unserer Verkündigung muss die Herrlichkeit und der Lobpreis Gottes sein. Streng genommen geschieht die Verkündigung des Wortes nicht hauptsächlich zur Errettung von Sündern. Stattdessen geschieht die Verkündigung primär zur Ehre Gottes – ein doxologisches Ereignis, welches das erhabene Wesen unseres Herrn und seine großen Taten preist. Thomas Watson sagte einmal: „Gott ist das höchste Gut … besser als alles, das du in Konkurrenz zu ihm stellen kannst.“ Sollte der Inhalt unserer Verkündigung nicht diese herrliche Realität kommunizieren.

Wir wurden geschaffen, „um Gott zu verherrlichen und uns für immer an ihm zu erfreuen“ (Der kleine Westminster Katechismus, Frage 1; siehe Jesaja 43,7). Biblische Verkündigung muss demnach dieses grundlegende Ziel unterstreichen und sowohl den Verkündiger als auch seine Hörer dazu inspirieren, freudig „unter den Heiden von seiner Herrlichkeit zu erzählen, unter allen Völkern von seinen Wundern! Denn groß ist der HERR und hoch zu loben“ (Ps 96,3–4a).

Drittens, Verkündigung muss in völliger Abhängigkeit von Gott geschehen. Pastoren sollten sich nicht auf ihre Talente, ihren Intellekt oder ihre Persönlichkeit verlassen. Stattdessen müssen wir von der Predigtvorbereitung bis zur Kanzel ernsthaft und demütig für eine „Erweisung des Geistes und der Kraft“ in der Verkündigung des Wortes beten (1Kor 2,4b). Denn, ohne das erleuchtende Werk des Heiligen Geistes wird das Gesetz und das Evangelium auf taube Ohren und versteinerte Herzen treffen. Unsere Verkündigung wird niemals wirkmächtig sein, wenn Gott sie nicht dazu macht (Hes 37,1–14). Es gibt keinen Raum für Stolz oder falsches Selbstvertrauen bei der Vorbereitung und dem Halten einer Predigt. Ohne Christus und dem lebenspendenden Heiligen Geist können wir nichts tun (Joh 15,5b).

Predigen ist das hauptsächliche Mittel der Gnade, das von Gott eingesetzt wurde, um die Seelen seiner Erwählten in Christus zu erneuern, zu heiligen, zu nähren und zu trösten (1Kor 1,21; 1Petr 1,23–25). In den Worten des Westminster Bekenntnisses, ist die Verkündigung

ein wirksames Mittel, um die Sünder zu erleuchten, zu überführen und zu demütigen, sie aus sich selbst heraus zu treiben und sie zu Christus zu ziehen, sie seinem Ebenbilde gleich und seinem Willen untertan zu machen, sie gegen Versuchungen und Verderbnisse zu stärken, sie zu erbauen in der Gnade und ihre Herzen fest zu gründen in Heiligkeit und Trost durch den Glauben zur Seligkeit. (Der große Westminster Katechismus, Frage 155)

Keine Aufgabe ist demnach von größerer Bedeutung für einen Prediger oder für die Gemeinde als die treue Verkündigung des ganzen Ratschlusses Gottes (Apg 6,4; 20,27).

Trotzdem erlebe ich als Gemeindegründer täglich die Versuchung, die Predigtvorbereitung und die Predigt selbst zu einer zweitrangigen Sache zu machen. Natürlich ist das nicht anders bei Pastoren von etablierten Gemeinden. Der christliche Dienst ist geschäftig. Im Bewusstsein dessen lasst uns als christliche Diener unseren Eid erneuern, das Wort treu zu verkündigen. Lasst uns Gottes Verheißung trauen, dass er die Torheit der Verkündigung zum Vorrücken seines Reichs verwendet. Und mögen wir die Demut des Wittenberger Reformators empfangen, um zu beten, dass unser Predigen hauptsächlich über Gott, zu seiner Ehre und seinem Lobpreis und in Abhängigkeit von ihm geschieht. „Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Ehre in Ewigkeit! Amen“ (Röm 11,36).