Apologetik – Ein kurzes Interview mit Ron Kubsch

Interview mit Ron Kubsch
27. Januar 2015 — 4 Min Lesedauer

 

Könntest Du kurz definieren, was Du unter Apologetik verstehst?

Das griechische Verb apologeomai bedeutet so viel wie „sich vor Gericht verteidigen“. Es ist so etwas wie Gerichtssprache. In einer klassischen gerichtlichen Verhandlung wurde der Angeklagte zuerst seiner Vergehen beschuldigt. Anschließend bekam der Beschuldigte die Gelegenheit, zu den Anklagepunkten Stellung zu nehmen. Der Versuch, die Anschuldigungen abzuweisen oder „wegzureden“, wurde apologia genannt. Apologetik ist also denkerische Rechtfertigung und Verteidigung der christlichen Hoffnung. Ihren besonderen Charakter gewinnt die Apologetik dadurch, dass sie Fragen (und Klagen) Andersdenkender aufgreift und für diese formal nachvollziehbar aus der christlichen Offenbarung heraus zu beantworten sucht.

Warum ist es wichtig, dass Christen sich mit Apologetik auseinandersetzen?

Petrus erwartet von den Christen, dass sie den Grund für ihre Hoffnung vernünftig kommunizieren können. Ein Apologet glaubt nicht nur, er kann auch erklären und begründen, warum und woran er glaubt. Er versucht also, plausibel darzulegen, warum ein Christ Christ ist und Nicht-Christen Nachfolger von Jesus Christus werden sollten. Apologetik ist keine Disziplin für Spezialisten. Bei allen denkbaren Gelegenheiten und gegenüber jedermann sollen Christen zur Rechenschaftslegung bereit sein (vgl. 1Petr 3,15). Das gesamte Gemeindeleben einschließlich der Katechese, Verkündigung, Seelsorge oder Evangelisation sollte der Apologetik Raum geben. Meiner Meinung nach wird das vernachlässigt. Viele Christen versuchen, ihre Zweifel wegzubeten oder wegzusingen. Es ist hilfreicher, sie zu beantworten.

Wie bist Du selbst dazu gekommen, dich mit Fragen der Apologetik auseinanderzusetzen?

Ich bin Dank der Gnade Gottes im Alter von 18 Jahren Christ geworden. Mein Denken war damals alles andere als christlich. So gab es sehr viele Themen, die zu bewältigen waren. Hinzu kam, dass einige meiner damaligen Freunde sich Sorgen um mich machten. Sie statteten mich mit Literatur aus, die mich zurückholen sollte und mich tatsächlich sehr herausforderte, z.B. Bücher von Sigmund Freud oder Rudolf Bultmann. Das hatte mich sehr verunsichert. Es gab Tage, da dachte ich, ich sei einer großen Täuschung erlegen. Ich war im Grunde ein wandelndes Fragezeichen. Ich nenne mal einige Fragen, die mich beunruhigten: Kann man der Heiligen Schrift vertrauen? Was, wenn der Glaube an Gott nur eine menschliche Projektion ist? Kann der Glaube vor dem Forum der Wissenschaft bestehen? Führen auch andere Religionen zu Gott?

Ich bin heute sehr dankbar, dass meine christlichen Freunde mich damals nicht im Regen stehenließen. Sie nahmen sich Zeit für meine Zweifel, empfahlen gute Bücher oder Seminare. Schließlich landete ich bei einer apologetischen Gemeinschaft mit dem Namen „L’Abri“ (franz. für „Zuflucht“). Dort fand ich Leute, denen es so ähnlich ging wie mir. Und ich traf Leute, die mir auf meine Fragen tragfähige Antworten geben konnten. Langsam lösten sich die vielen Knoten in meinem Kopf. Die Freude kehrte zurück. Ich lernte, dass wir Jesus Christus auch mit unserem Denken nachfolgen dürfen, ja stärker: sollen.

Gibt es so etwas wie eine bestimmte „Technik“, um die Argumente des Gegenübers zu entkräften?

Eigentlich warne ich vor „Techniken“. Techniken werden z. B. von geschulten Verkäufern angewandt. Manche Verkäufer beherrschen die Strategie des Verkaufens so gut, dass man ihnen völlig unbrauchbare Produkte in dem Glauben abkauft, eine überlebenswichtige Entscheidung getroffen zu haben. In der Apologetik ist es eher andersherum. Die Botschaft, die der christliche Apologet weitergeben möchte, ist unüberbietbar wichtig und kraftvoll. Wir als Botschafter sind allerdings sehr begrenzt fähig, sie angemessen zu vermitteln.

Deshalb rate ich Apologeten, ihre Hoffnung auf Gott zu setzen und für die Menschen, mit denen sie im Gespräch sind, zu beten. Diese Menschen sind keine Kunden, sondern Ebenbilder Gottes, denen wir mit Wertschätzung und in aufrichtiger Liebe begegnen. Ein gutes Leitbild für die Apologetik stammt von Francis A. Schaeffer: „Ehrliche Antworten auf ehrliche Fragen!“

Aber natürlich gehören zur Rechtfertigung des Glaubens auch Argumente, die wiederum eine logische Struktur haben. So gibt es wiederkehrende Argumentationsfiguren, die den Glauben blockieren können, aber verhältnismäßig einfach durchschaubar sind. Sehr verbreitet sind sich selbstwiderlegende Sichtweisen. Wir hören beispielsweise oft: „Wahrheit ist immer relativ“ oder „Im 20. Jahrhundert haben die Geschichtswissenschaftler endlich erkannt, dass es keine historischen Wahrheiten gibt.“ oder „Sicher können wir nichts wissen“.

Solche Sätze stehen im Widerspruch zu ihrem eigenen Aussagegehalt. Schon Sokrates half dem Protagorasschüler Theodorus dabei, einzusehen, dass er mit so einem Relativismus falsch liegt, weil beinahe alle Menschen es anders sehen müssen. Sokrates: „Sollten wir vielleicht sagen, dass dein Glaube für dich wahr ist, aber nicht für die unzählbar vielen Leute?“

Vielen Dank für die Antworten!